Open-Source-Dilemma auch in der EU: Viele sehen Vorteile, zu wenige tragen bei

Viele EU-Organisationen sehen die Vorteile von Open-Source-Software, stellt die Linux Foundation fest. An Beiträgen zur Entwicklung hapert es aber.

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(Bild: Imilian/Shutterstock.com)

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Von
  • Udo Seidel
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Bei ihrer Hauskonferenz Open Source Summit in Amsterdam hat die Linux Foundation (LF) EU mehr Bemühungen für Open Source gefordert, um die digitale Souveränität Europas endlich voranzubringen. Open-Source-Technik sei zwar weit verbreitet, geschätzt und für die digitale Souveränität unerlässlich, aber es zeige sich dennoch ein Mangel an kohärenten Strategien, gezielten Investitionen, Engagement der Führungskräfte und politischer Abstimmung in der EU. So verpasse man die Chance, mit "globalen digitalen Gemeingütern" die EU-Autonomie zu fördern und sich einen Platz im globalen Technologiewettbewerb zu sichern, warnte Gabriele Columbro, Chef der LF EU.

Auch wenn moderne IT inklusive Cloud zu großen Teilen auf quelloffener Software beruht – im Open Source Contributor Contributor Index findet man keine europäische Firma unter den ersten Zehn. Ein aktueller Bericht der LF EU untermauert mit weiteren Zahlen, dass es der EU an Präsenz mangeln könnte. Nur 34 Prozent der befragten europäischen Firmen und Organisationen haben demnach eine formale Open-Source-Strategie, 22 Prozent unterhielten eine Organisationseinheit, die sich um freie und offene Software kümmert. Rund ein Viertel der Organisationen beschäftigt Entwickler, die quasi Vollzeit für Open-Source-Projekte arbeiten. Dabei würden 81 Prozent einen Vorteil in einer solchen Investition sehen.

Generell scheint es nicht an Einsicht in die Vorteile der Quelloffenheit zu mangeln: So würden 75 Prozent der Befragten glauben, dass die Entwicklung von Open Source zu einer höheren Softwarequalität führt. 69 Prozent hätten auch angegeben, dass der Einsatz solcher ihre Organisation wettbewerbsfähiger macht. Allerdings zeigt sich eine Diskrepanz in den Hierarchie-Ebenen: Bei den Führungsspitzen sehen 62 Prozent den Vorteil von quelloffener Software für die eigene Organisation – in der Belegschaft hingegen sogar 86 Prozent.

Columbro präsentierte diese Zahlen den circa 2000 Teilnehmern des Open Source Summit. Er verband dies mit einem Aufruf, die eben erwähnten Lücken zu schließen. Als verdeutlichendes Beispiel benutzt er erste greifbare Projekte für digitale Souveränität innerhalb der EU wie Neonephos, Open Internet Stack, EuroStack und IPCEI-CIS (Important Project of Common European Interest - Cloud Infrastructure and Services). Quelloffene Software ist das Fundament aller dieser Projekte. Es ist kein Geheimnis, dass Entwickler Einfluss auf die Marschrichtung der Software haben. Und da schließt sich der Kreis, dass die EU aus Sicht der LF genau hier mehr Flagge zeigen muss.

Der Open Source Summit bot auch Gelegenheit für die LF EU, zurückzublicken und ein Resümee ihrer Arbeit zu ziehen. Seit rund drei Jahren gibt es das europäische Pendant der Linux Foundation. Die ursprüngliche Idee der LF EU war es, eine rechtliche Entität innerhalb der EU zu bieten – insbesondere für Projekte und Anfragen aus dem öffentlichen Bereich oder gar von Regierungen. Mit der DSVGO und dem CRA kam noch ein regulatorischer Aspekt hinzu. Die LF EU ist inzwischen ein Sprachrohr für Open Source geworden, das sicherstellt, dass die Gremien den Aspekt der quelloffenen Software berücksichtigen. Dazu kommt auch noch die Unterstützung der Projekte zur Umsetzung von Regeln und Standards – und jetzt gewinnen auch die politischen Aspekte zunehmend an Bedeutung.

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Wo stehen wir also? Die LF EU dürfte heute noch mehr nötig sein als vor drei Jahren. Die Lobbyarbeit in Brüssel ist immer noch wichtig, aber inzwischen einfacher. Der geopolitische Aspekt hat inzwischen auch in der IT deutlich an Gewicht gewonnen und die LF EU ist willens, auch hier zu helfen. Übrigens trifft dies sogar für die globale Linux Foundation Organisation zu: So gibt es inzwischen auch LF India. Deren Chef – Arpit Joshipura – hat im persönlichen Gespräch mit der iX-Redaktion das allgemeine Konzept folgendermaßen beschrieben: "Collaborate global, innovate local" – also global kooperieren und lokal Innovationen schaffen.

(axk)