Eine Laufmaschine lernt gehen

Das Forschungsprojekt BioBiPed erkundet die zweibeinige Fortbewegung aus einer neuen Perspektive.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Wer rennen will, muss erst mal richtig gehen können. Selbst die schnellsten Sprinter sind zuerst auf allen Vieren über den Boden gekrochen, bevor sie sich auf zwei Beine erhoben und aus ersten, tapsigen Schritten Rekordläufe wurden. Doch was auf Menschen zutrifft, muss für Maschinen noch lange nicht gelten. Ein Forschungsprojekt des Lauflabors Jena und der Technischen Universität Darmstadt will jetzt den umgekehrten Weg einschlagen. BioBiPed heißt der von ihnen gemeinsam entwickelte zweibeinige Roboter, der zuerst rennen und dann erst gehen lernen soll.

BioBiPed

(Bild: A. Karguth / TETRA GmbH)

"Die Forschungen zum zweibeinigen Laufen scheinen gerade etwas zu stagnieren", sagte Katayon Radkhah, die im Rahmen ihrer Dissertation an der TU Darmstadt mit dem BioBiPed arbeitet. Tatsächlich beschäftigte sich bei der vorigen Humanoids, der wichtigsten Konferenz zu humanoiden Robotern, nur ein auffallend kleiner Teil der Vorträge mit Fragen der Fortbewegung. Bislang kontrollieren Zweibeiner ihren Gang zumeist mit Hilfe des Zero Moment Point (ZMP). Dabei wird der Punkt ermittelt, in dem sich alle im Roboter wirkenden Beschleunigungkräfte gegenseitig aufheben. Solange sich die Projektion des Punktes am Boden innerhalb der von den Rändern der Füße markierten Unterstützungsfläche befindet, ist der Roboter stabil. Ansonsten muss gegengesteuert werden. Die dafür erforderlichen Daten liefern Drucksensoren in den Fußsohlen.

Mit ZMP lässt sich mittlerweile sehr stabiles, auch schnelles Gehen realisieren. Dabei können sogar kurze Flugphasen vorkommen, in denen kein Fuß den Boden berührt. Doch damit hat das Verfahren seine Grenzen erreicht. Weil diese Lageregelung auf die Sensordaten angewiesen ist, kann der Roboter nicht schneller gehen, als die Sensoren zulassen. Zudem erfordert ZMP die genaue Kenntnis der Massenverteilung im Roboter und aller Gelenkstellungen. Es ist eine extrem kontrollierte Art der Fortbewegung.

Neben einem anderen Kontrollverfahren erfordert geschmeidiges, energieeffizientes Laufen und Rennen auch einen dafür geeigneten Körperbau. Bislang fehlt es humanoiden Robotern mit ihren starren, über Servomotoren in den Gelenken angetriebenen Gliedmaßen an der nötigen Elastizität. Bei BioBiPed dagegen sind die Motoren über Seilzüge mit den Gelenken verbunden, die dadurch nachgiebiger auf äußere Kräfte reagieren können. Daneben soll ein System aus passiven und aktiv steuerbaren Federn für das richtige Zusammenspiel der Glieder sorgen. Daran arbeiten die Forscher.

"Wir haben uns bei der Gestaltung der Hardware auf biomechanische Studien und die Erfahrungen mit der Laufmaschine Jena Walker gestützt", sagte Dorian Scholz, ebenfalls Doktorand an der TU Darmstadt. Das Ergebnis ist ein Roboter mit vielen Stellschrauben, die er und Radkhah in die richtigen Positionen bringen wollen, um BioBiPed sicher und stabil rennen zu lassen.

Bei der Kontrolle des Roboters knüpfen die Wissenschaftler an das von Marc Raibert entwickelte Modell des gefederten umgekehrten Pendels an. Mit diesem Verfahren lassen sich einbeinige, hüpfende Roboter steuern, aber auch Mehrbeiner. Die drei wichtigen Parameter sind dabei die Sprungkraft, die Kontrolle der Bewegungsrichtung und die Stabilisierung des Oberkörpers.

Mit einem rennenden Roboter allein ist das BioBiPed-Team aber noch nicht zufrieden. Spannend wird es, wenn der Roboter sein Tempo verlangsamt und ins Gehen wechselt. Fraglich ist, ob er dann auf ein anderes Kontrollverfahren umschalten muss oder ob es mit der Veränderung einiger Parameter getan wäre. Vom ZMP-geregelten Gehen führt kein Weg zum Laufen und Rennen. In umgekehrter Richtung dagegen mag sich ein einheitliches Kontrollverfahren für alle Gangarten finden lassen.

Die Erforschung der zweibeinigen Fortbewegung vom Laufen statt vom Gehen her vorzunehmen, wirkt vor diesem Hintergrund gar nicht mehr so ungewöhnlich. Die Vorgehensweise wird auch gestützt durch evolutionsbiologische Studien, die die Fähigkeiten des Menschen als Ausdauerläufer hervorheben. Denn während die meisten Tiere uns auf kurzen Distanzen locker abhängen, sind wir auf Langstrecken nahezu ohne Konkurrenz. Es könnte daher sein, dass weniger der aufrechte Gang die Gattung Homo vorangebracht hat, sondern das aufrechte, ausdauernde Laufen.

Menschen können heute mehr als zwei Monate laufen und dabei täglich eineinhalb Marathondistanzen zurücklegen. Für Laufroboter liegt die Messlatte etwas niedriger: Mit nicht mehr als 10 Kilojoule Energie pro Kilogramm Masse muss eine Maschine 10 Kilometer in weniger als 10.000 Sekunden bewältigen, um den W Prize in Höhe von 200.000 US-Dollar zu gewinnen. Bisher ist das noch niemandem gelungen. Auch BioBiPed wird noch eine Weile trainieren müssen. Aber den Wettbewerb haben die Forscher schon im Blick. (anw)