Zahlen, bitte! DIN 1451 – Die Schriftart, die jeder kennt, der unterwegs ist

DIN 1451 ist eine Normschrift, die in Deutschland im öffentlichen Raum allgegenwärtig ist, vor allem auf Verkehrsschildern – eben wegen ihrer guten Lesbarkeit.

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Auch wenn man noch nie von der DIN 1451 gehört hat, gesehen hat man sie, denn sie begleitet einen permanent im Alltag. Die Schriftfamilie, die unter DIN 1451 zusammengefasst wird, findet man vor allem auf Verkehrsschildern und Informationstafeln. Sie sieht man aber auch in technischen Zeichnungen, auf Stempeln, auf Beschriftungen oder in der Werbung.

Zahlen, bitte!
Bitte Zahlen

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblĂĽffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natĂĽrlich der Mathematik vor.

Sie ist allgegenwärtiger als die berühmt berüchtigte Comic-Sans-Schriftart – nur erzeugt sie keine Proteststürme. Das liegt an ihrer Unscheinbarkeit: Die serifenlose Schriftart gilt als gut lesbar, ohne dass sie mit Design-Schnickschnack von der eigentlichen Information ablenkt.

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Ihren Ursprung hat sie in den Vorläufern der Deutschen Bahn. Die Ausgabe 3 der preußischen Musterzeichnung IV 44 von 1906 lieferte das erste Vorbild. Die Preußisch-Hessische Eisenbahngesellschaft benötigte eine einheitliche, gut lesbare Schrift, die auch mit wenig Malergeschick von Bahnangestellten an das Schild oder die Lok aufgetragen werden konnte.

Um die einfache Auftragbarkeit zu gewährleisten, wurde sie als Schriftbild in einfachen, geometrischen Formen gestaltet und als Linear-Antiqua-Schriftart weisen alle Striche die gleiche Stärke auf, was entgegen den damals populären traditionellen Schriftklassen wie etwa Barock-Antiqua mit ihren oftmals filigranen Elementen und kunstvollen Verzierungen stand.

Unvollendeter Autobahnbau Anno 1958: Autobahnschild in DIN 1451.

(Bild: CC BY 4.0, Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 054343 / Fotograf: Willy Pragher)

Nach dem Ersten Weltkrieg galt es in der Weimarer Republik den Wiederaufbau zu gestalten und insbesondere die Industrialisierung erforderte Rationalisierungen und Vereinheitlichungen. Um das zu gewährleisten, half der in Berlin bereits Ende 1917 gegründete "Normenausschuß der deutschen Industrie" (später Deutsches Institut für Normung (DIN)).

Um die Kleinstaaterei in Schildbeschriftungen zu beenden, benötigte man eine einheitliche Schriftvorgabe. 1925 wurde daher die Schrift der Musterzeichnung IV 44 in die DIN 1451 übernommen und unter maßgeblicher Mitwirkung von Ludwig Gollar, Mitarbeiter von Siemens & Halske und seines Zeichens Vorsitzender des Ausschusses des DIN weiterentwickelt. Beispielsweise musste die Schrift-Norm noch für den Bleisatz optimiert werden, damit sie auch für Druckerzeugnisse infrage kamen.

Stempel mit DIN-1451-Beschriftung

Die DIN 1451 erschien 1931 bereits als Vornorm und enthielt fĂĽr verschiedene Breiten und Zwecke optimierte Schriftarten Engschrift, Mittelschrift und Breitschrift. 1936 erschien sie als Norm, sodass die Schrift fĂĽr die Bereiche Technik und Verkehr zum Standard erhoben wurde. Seitdem galt sie einheitlich fĂĽr Bahnbeschriftungen und Verkehrsschilder sowie fĂĽr technische Zeichnungen. Man findet sie bis heute auch an Beschriftungen und Stempeln, ĂĽberall da, wo eine gute Lesbarkeit entscheidend ist.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie auch durch Beschluss der Godesberger Konferenz ab 1956 für Nummernschilder übernommen. Mit kleinen Änderungen blieb die DIN 1451 bis 1994 maßgeblich für Kennzeichen. In denen wurde ihre Einfachheit zum Problem: Da sie mit einfachen geometrischen Formen gestaltet wurde, war es mit überschaubaren Mitteln auch möglich, die Buchstaben zu verfälschen. Bereits in den 1970ern wurde daher die FE-Schrift als Nachfolger entwickelt, die aber erst ab 1994 zum Einsatz kam.

Zeitgenössisches Kennzeichen in DIN-1451-Schrift: SLS steht für Landkreis Saarlouis.

Die DIN 1451 erhielt mit der Zeit einige Überarbeitungen. 1981 wurde sie etwa verändert, um eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten. Außerdem fiel die Breitschrift aus der Norm. Mit der Zeit übernahmen auch andere Staaten wie Griechenland, Lettland, Namibia, sowie Südafrika die Schriftfamilie für ihre Straßenschilder. In Österreich war bis 2010 mit der "Austria"-Schrift eine an die DIN 1451 angelehnte Schriftart im Einsatz, die durch eine speziell für Autoschilder entwickelte Fontfamilie "Tern" allmählich abgelöst wurde.

Die Digitalisierung hielt bei der DIN 1451 ebenfalls Einzug. Es sind viele digitale Varianten der DIN-1451-Schriftarten nebst Abwandlungen geschaffen worden, eine der bekanntesten ist die Bahnschrift, die Microsoft in Windows 10 Version 1709 am 17. Oktober 2017 integrierte. Laut Microsoft waren deren Designer so von der DIN 1451 angetan, dass sie mit der Bahnschrift eine daran angelehnte Schrift entwickelten.

Für die DIN selbst sind die Schriftarten noch immer wichtig, aber seit der Aktualisierung 2018 nicht mehr mit Alleinstellungsmerkmal. Die DIN-Schriften sind zwar weiterhin in der Norm enthalten, allerdings werden auch nutzbare Alternativen genannt. Albert-Jan Pool, Schriftgestalter und Obmann des zuständigen DIN-Normenausschusses Schrift, schreibt dazu: "Seit der letzten Aktualisierung der Norm 1980 haben sich sowohl die technischen Gegebenheiten als auch die Erkenntnisse über gute Leserlichkeit von Schrift weiterentwickelt. Folgerichtig sind viele neue, leserlichere Schriften gestaltet worden, darunter auch serifenlose Typen." Insbesondere im Sinne der Inklusion fördere man einen breiteren Zugang zu leserlichen Schriften.

Egal, ob man sich auf der Autobahn, einer Landstraße bewegt, oder in der Stadt einen Parkplatz sucht: Die Schriften der DIN 1451 bleiben allgegenwärtig.

(mawi)