Graphen verbessert DNA-Sequenzierung

Das nur atomdicke Material könnte die Erbgutanalyse deutlich einfacherer machen - wenn es Forschern gelingt, wichtige Hürden zu nehmen.

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Von
  • Prachi Patel

Das nur atomdicke Material Graphen könnte die Erbgutanalyse deutlich einfacherer machen – wenn es Forschern gelingt, wichtige Hürden zu nehmen.

Ein Team aus Wissenschaftlern von MIT und Harvard University will das ultradünne Material Graphen einsetzen, um neuartige DNA-Analyseverfahren voranzubringen. Mit der sogenannten Nanoporen-Sequenzierung lassen sich lange Erbgutstränge deutlich schneller erfassen als mit bisherigen Verfahren.

Bei der aktuellen Sequenzierungstechnik wird die DNA zunächst zerschnitten, gleich mehrfach kopiert und dann gelesen, indem fluoreszierende Moleküle an sie angelagert werden. Dieser Ansatz benötigt mehrere Tage und ist verhältnismäßig teuer. Die Nanoporen-Sequenzierung könnte dagegen das gesamte menschliche Genom in nur wenigen Stunden lesen – zumindest theoretisch.

Denn bei diesem Prozess soll ein langer DNA-Strang durch ein klitzekleines Loch in einer Membran gezogen werden, die in einer unter Spannung stehenden Salzlösung steckt. Ionen bewegen sich von einer Seite der Membran auf die andere und erzeugen so elektrischen Strom. Mit jeder der vier verschiedenen DNA-Basen, die sich durch die Nanoporen bewegen, verändert sich die Stromstärke um einen eindeutigen Wert. Dieser ließe sich dann sehr schnell auslesen.

Momentan ist das allerdings noch eine Vision. Bislang basieren die Nanoporen für die DNA-Sequenzierung beispielsweise auf Bakterien-Proteinen oder sie werden in Membranen aus Silizium-Nitriden geätzt. Solche Membranen sind dann zwischen 20 und 30 Nanometern dick. Da der Abstand zwischen zwei DNA-Basen 0,5 Nanometer beträgt, blieben dabei 40 bis 60 Basen gleichzeitig in der Pore stecken.

Eine dünnere Membran wie Graphen könnte deshalb ein deutlich genaueres Auslesen erlauben. Das Material ist in einer einzelnen Schicht nur einen Nanometer dick – atomdick, wie die Forscher sagen. Das wäre "die dünnste Membran, die je für dieses Problem eingesetzt wurde", erläutert der Harvard-Physikprofessor Jene Golovchenko, der das Projekt im Nanoporen-Labor der Hochschule leitet.

Die Forscher schufen die Membran, indem sie eine Graphen-Flocke über eine 200 Nanometer breite Öffnung in einer Silizium-Nitrid-Oberfläche legten. Anschließend bohrten sie einige nur einen Nanometer große Poren in das Graphen – mit Hilfe eines Elektronenstrahls. Dann wurde die Membran in eine Salzlösung getaucht, die mit Silberelektroden in Kontakt steht. Die Forscher beobachteten anschließend Veränderungen im Stromfluss, als sie einen DNA-Strang durch die Poren zogen. So konnten sie zeigen, dass sich die Methode für die gewünschte Anwendung tatsächlich eignet. Nicht nur Golovchenkos Team arbeitet an der Technik – ähnliche Projekte laufen am Kavli-Institut für Nanowissenschaften im niederländischen Delft und an der University of Pennsylvania.

Die verlässliche Identifizierung einzelner DNA-Basen, die durch die Poren wandern, wird allerdings noch viel Arbeit in Anspruch nehmen. Zwar ergibt sich pro Base eine eindeutige elektrische Signatur, die sich theoretisch leicht aufzuzeichnen lässt. Allerdings muss dazu zunächst die Geschwindigkeit, mit der die DNA durch die Pore gezogen wird, genauer kontrolliert werden. Und das erwies sich bislang als größte Hürde bei der Nanoporen-Sequenzierung – nicht so sehr das Membranmaterial.

In der Golovchenko-Studie wandert jedes DNA-Molekül, das wiederum Tausende Basen enthält, mit einer Geschwindigkeit von rund vier Nanosekunden pro Base durch die Pore. Um nun einzelne Basen in ihrer Sequenz lesen zu können, müssten sie mehr als 1000 Mal länger in der Pore verbleiben, sagt John Kasianowicz, Biophysiker am National Institute of Standards and Technology, der als Vater der Nanoporen-Sequenzierung gilt. Er selbst arbeite deshalb mit natürlichen Membranen und Poren aus Bakterienproteinen. Diese erlauben es, Moleküle im zweistelligen Millisekundenbereich "festzuhalten". Allerdings sind die Membranen weniger stabil als Silizium-Nitride und Graphen.

Deshalb glaubt Kasianowicz, dass Golovchenko und seine Kollegen an der University of Pennsylvania und in Delft die Technologie auf ein neues Niveau hieven könnten. "Festkörper-Nanoporen sind eine großartige Idee und ihre Verbesserung mit Graphen ist ein erster wichtiger Schritt." Bis die Technik sich aber für die Sequenzierung eigne, müsse sie noch deutlich verbessert werden. "Wir müssen den DNA-Fluss kontrollieren und ihn verlangsamen können." (bsc)