Abschied vom Transistor

Sie schalten und speichern gleichzeitig, verlieren keine Informationen und verbrauchen extrem wenig Strom: Memristoren könnten die Transistoren als Grundbausteine der Computertechnik ablösen.

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Von
  • Bernd Müller

Sie schalten und speichern gleichzeitig, verlieren keine Informationen und verbrauchen extrem wenig Strom: Memristoren könnten die Transistoren als Grundbausteine der Computertechnik ablösen.

Seit 20 Jahren ist Stanley Williams verheiratet. Zum runden Hochzeitstag bekam er von seiner Frau ein besonderes Geschenk: Selbst designte silberne Manschettenknöpfe mit roten und blauen Edelsteinen. Williams, hochdekorierter Forscher für Quanteninformationssysteme bei Hewlett-Packard (HP) im kalifornischen Palo Alto, zeigt stolz auf die funkelnden Preziosen und dann in einen Schaukasten, der im „Zentrum Neue Technologien“ des Deutschen Museums in München steht. Hinter dem Glas blinkt ein Exponat rot und blau. Es ist die Vorlage für die Manschettenknöpfe und ein vergrößertes Modell des eigentliches Stars: Direkt daneben liegt ein gerade mal münzgroßer Chip, ein Speicherbaustein, der mit Tausenden sogenannter Memristoren gespickt ist – und es als eine der wenigen Innovationen schon ins Museum geschafft hat, bevor er auf den Markt gekommen ist.

Das Wort Memristor ist eine Neuschöpfung aus „memory“ (Speicher) und „Resistor“ (Widerstand), weil es in seinen Eigenschaften eine Art Kreuzung dieser beiden Bausteine ist. Der entscheidende Vorteil: Ein mit Memristoren bestückter Computer könnte in Sekundenbruchteilen hochfahren, weil sein Zustand erhalten bleibt, wenn der Strom abgeschaltet wird. „Jahrelang, das haben wir getestet“, sagt Williams. Heutige PCs dagegen verlieren den Inhalt ihres Arbeitsspeichers beim Ausschalten – die benötigten Informationen muss sich der Rechner bei jedem Start neu von der Festplatte holen.

Die elektronischen Bauteile könnten aber noch viel mehr: Memristoren lassen sich laut Williams nämlich auch zu Logikbausteinen verschalten, um Rechenoperationen auszuführen, und dabei – anders als heutige Prozessoren – nicht nur die Werte „0“ und „1“, sondern auch beliebige Zwischenwerte annehmen. Diese sind möglich, weil Memristoren keinen konstanten, sondern einen variablen Widerstand haben, der sich durch das Ändern der angelegten Spannung kontinuierlich verstellen lässt. Der Erfinder ist daher überzeugt, dass sie eines Tages auch Festplatten, RAM- sowie digitale Flash-Speicher museumsreif machen werden: Diese Speichermedien seien viel zu langsam, und die Physik setze ihrer Miniaturisierung Grenzen. Schon in wenigen Jahren werde die HP-Entwicklung diese Speicher aus Computern und Handys verdrängen – und irgendwann sogar Mikroprozessoren überflüssig machen.

Die Idee zum Memristor hatte Leon Chua, heute Elektrotechnik-Professor an der Universität in Berkeley, der Ende der sechziger Jahre in seiner Doktorarbeit die mathematischen Grundlagen von elektrischen Bauelementen formulierte. Laut Chuas Formeln musste es derer vier geben: Widerstände, Kapazitäten (Kondensatoren), Induktivitäten (Spulen) und eine Kreuzung aus regelbarem Widerstand mit Merkfunktion. Doch das vierte Bauelement ... (kd)