Viertschnellster Top500-Supercomputer: Exascaler Jupiter in Jülich eingeweiht

Seit Mai läuft in Jülich der Probebetrieb für Europas schnellsten Rechner – nun gab es den Startschuss für den Exascaler mit reichlich Politprominenz.

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Friedrich Merz steht mit Kollegen vor einem Supercomputer-Rack

Friedrich Merz bei der Einweihung von Jupiter.

(Bild: Hans-Joachim Rickel/BMFTR)

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Von
  • Bernd Schöne
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Europas schnellster Supercomputer, stationiert im deutschen Jülich, ist jetzt offiziell eingeweiht. Das Jupiter genannte System läutet das Exascale-Zeitalter in Europa ein – damit sind Supercomputer gemeint, die mindestens eine Trillion Rechenoperationen pro Sekunde schaffen (1 Exaflops). Die weitgehende Fertigstellung war für Bundeskanzler Friedrich Merz, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und zahlreiche Minister Grund genug, ins Jülich Supercomputing Centre (JSC) zu eilen und der Einweihung beizuwohnen.

Von links nach rechts: Prof. Dr. Dr. Thomas Lippert, Direktor des Jülich Supercomputing Centre (JSC), Prof. Dr. Kristel Michielsen, Direktorin des Jülich Supercomputing Centre (JSC), Ekaterina Zaharieva, Kommissarin Start-Ups, Forschung und Innovation, Europäische Kommission, Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes NRW, Prof. Dr. Astrid Lambrecht, Vorstandsvorsitzende Forschungszentrum Jülich, Friedrich Merz, Bundeskanzler, Dorothee Bär, Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt, Karsten Wildberger, Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung, Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, und Prof. Dr. Laurens Kuipers, Mitglied des Vorstands des Forschungszentrums Jülich.

(Bild: Kurt Steinhausen/Forschungszentrum Jülich)

Nach vier Monaten Probebetrieb nimmt das Jupiter-Modul Booster nun offiziell seine Arbeit auf. Sobald das vom JSC in Zusammenarbeit mit dem EuroHPC Joint Undertaking entwickelte und von EuroHPC beschaffte System die üblichen Kinderkrankheiten überwunden hat, soll es mit knapp 24.000 Nvidia-GH200-Boards etwa 1,4 Exaflops bei doppelt genauen Gleitkommaberechnungen (FP64) erreichen. Das ist ein gutes Stück mehr, als der Jupiter Booster im bisherigen Probelauf für die sogenannte Top500-Liste erreicht hat. Die dauerhaft gehaltenen 793 Petaflops (knapp 0,8 Exaflops) reichten zuletzt für den vierten Platz. Für KI-Anwendungen reicht derweil eine deutlich niedrigere Genauigkeit, etwa FP8 mit 8- statt 64-Bit-Werten. Damit soll Jupiter über 70 Exaflops erreichen, unter anderem fürs Training europäischer KI-Modelle.

Die Organisatoren hinter dem Top500-Projekt wollen die weltweit schnellsten Supercomputer ermitteln. Da Hyperscaler wie Amazon, Google und Meta sowie chinesische Betreiber ihre Benchmarks nicht einreichen, gibt die Liste primär die verfügbaren Supercomputer für Forschung und Wissenschaft wieder. In der nächsten November-Ausgabe könnte Jupiter mit der zusätzlichen Rechenleistung im Bestfall einen oder zwei Plätze gutmachen. Der Platzhirsch El Capitan mit einer dauerhaft erreichbaren Leistung von gut 1,7 Exaflops und Spitzenwerten von gut 2,7 Exaflops bleibt jedoch unerreicht.

Die Ausgaben für Jupiter plus Betriebsmittel, Rechenzentrum und Strom für die nächsten Jahre summieren sich auf 500 Millionen Euro. Die drei Spitzenreiter El Capitan, Frontier und Aurora stehen in den USA und aus diesem Land stammen auch die Chipdesigns für Jupiter. Europa fehlt es an technologischer Kompetenz, Superrechner ohne Hilfe der USA zu errichten. Jupiter hat mit ParTec-Eviden zwar einen europäischen Hersteller, die ARM-Prozessoren (Grace) und Hopper-Beschleuniger auf den GH200-Boards stammen aber von Nvidia.

Das JSC will zwar die in Europa entworfenen Rhea1-Prozessoren testen, allerdings lassen diese noch bis 2026/2027 auf sich warten. Im kommenden Modul Jupiter Cluster sollen mehr als 2600 dieser Prozessoren landen. Die Einweihung erwartet das JSC im Jahr 2027. Jeder der Prozessoren kombiniert 80 ARM-Kerne vom Typ Neoverse V1 mit 64 GByte HBM2e-Stapelspeicher. Zusätzlich teilen sich je zwei CPUs 512 GByte DDR5-RAM. Das Ganze ist ein Testballon und aufgrund zahlreicher Verzögerungen schon nicht mehr zeitgemäß. Mit erwarteten 5 Petaflops wird das Cluster-Modul nur einen Bruchteil der Gesamtrechenleistung ausmachen.

Zur Einweihung hat das JSC etliche Details zusammengetragen. Pro Rack arbeiten 192 Nvidia-GH200-Superchips, die alle zusammen zwei Tonnen auf die Waage bringen. Die insgesamt 24.000 Boards mit je einer CPU und GPU sind durch 300 Kilometer Kabel über ein schnelles Infiniband-Netzwerk verbunden. Der Datendurchsatz soll 500-mal höher als der des gesamten deutschen Internets sein. Alle 125 Racks bringen es zusammen auf 3400 Tonnen. In den 17 Meter langen und 3 Meter breiten Containern ist demnach viel Metall und wenig Platz für Servicetechniker. Die Enge bekam auch Bundeskanzler Merz zu spüren, als er vor den Racks posieren sollte. Der Speicher direkt am Rechner hat eine Kapazität, die 450 Milliarden Büchern entspricht.

Merz schaut sich einen der wassergekühlten Jupiter-Einschübe an.

(Bild: BMFTR / Hans-Joachim Rickel)

Was Jupiter aktuell bereits leistet, blieb offen. Prof. Dr. Dr. Thomas Lippert, Direktor des Jülich Supercomputing Centre (JSC) wollte sich auf der Pressekonferenz dazu nicht äußern. Der Supercomputer diene nicht nur der Forschung, sondern sei selbst Teil davon. Schließlich habe noch nie jemand in Europa ein so komplexes Rechenwerk konstruiert. Selbst sein Vorläufer Juwels, zu seiner Zeit einer der schnellsten Rechner der Welt, sei im Vergleich dazu einfach aufgebaut gewesen. Hersteller und Anwender kämpfen seit Mai nicht nur mit Hardwarefehlern, sondern auch mit Ausfällen. Alles sei aber im grünen Bereich, so Prof. Lippert. Ausfälle von bis zu fünf Prozent seien am Anfang normal, der Hersteller würde vertragsgemäß für kostenlosen Nachschub sorgen.

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Als energieeffizientester Exascaler der Welt soll er künftig das Nachbargebäude beheizen und Strom erzeugen. Aktuell entsorgen wuchtige Installationen auf dem Dach die Abwärme an die Umgebung. Bei 160 kW Anschlussleistung pro Rack und insgesamt 125 Racks gibt es davon reichlich. Anders als bei früheren Superrechnern wird aber kein zusätzlicher Strom für Kühlaggregate benötigt. Der Rechner akzeptiert Wassertemperaturen von 36 Grad Celsius als Eingang. Mit 43 Grad Celsius verlässt das Kühlwasser dann den Rechner in Richtung Wärmetauscher.

Angedacht sind künftig Erweiterungen durch einen neuromorphen Rechner und einen Quantencomputer. Die EU will ab nächstem Jahr mit 13 AI Factories die KI-Welt aufmischen und den US-Konzernen Paroli bieten. Alle Factories werden in direkter Umgebung von Supercomputern angesiedelt. Jülich ist dank Jupiter mit der Jupiter AI Factory (JAIF) im Rennen, als weiterer deutscher Standort wurde Stuttgart ausgewählt.

(axk)