Microsoft legt Dokumente im EU-Kartellstreit offen

Mit der Veröffentlichung unter anderem des E-Mail-Verkehrs von Microsoft-Managern mit der Kommission will der Konzern beweisen, dass er im EU-Kartellrechtsverfahren alle Auflagen erfüllt und allen Anforderungen der Kommission entsprochen habe.

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Von
  • Jürgen Kuri

Gerade erst musste Microsoft eine neue Kartellrechtsbeschwerde von Konkurrenten bei der EU-Kommission verzeichnen, da legt der Konzern erst einmal die Dokumente seiner Eingabe bei den europäischen Wettbewerbshütern offen. Mitte Februar hatte Microsoft im Tauziehen um die von den Wettbewerbshütern der EU-Kommission verhängten Auflagen kurz vor Ablauf eines Brüsseler Ultimatums eine Stellungnahme abgegeben. Erwartungsgemäß wies Microsoft die Vorwürfe der Kommission zurück: Man habe die Forderungen nach Herausgabe der Protokolle für die Kommunikation zwischen Clients und Windows-Servern vollständig erfüllt.

Die EU-Kommission hatte im März 2004 eine Geldstrafe über 497,2 Millionen Euro sowie Produktauflagen wie die Herausgabe von Informationen über Kommunikationsprotokolle verhängt; die Geldstrafe wurde sofort fällig, eine Aussetzung der Produktauflagen bis zur Entscheidung in der Klage von Microsoft gegen den Bescheid der EU-Kommission verweigerte der EU-Gerichtshof in erster Instanz. Im Dezember vergangenen Jahres drohte die Kommission mit einer täglichen Geldstrafe über 2 Millionen Euro, wenn Microsoft den Forderungen zur Herausgabe der Kommunikationsprotokolle nicht vollständig nachkomme. Nachdem Microsoft zunächst eine Fristverlängerung erreichte, um den Auflagen zu entsprechen, kündigte der Softwarekonzern an, "freiwillig" Quellcode zu lizenzieren. Damit gehe man über die Anforderungen der EU-Kommission weit hinaus, betonte der Konzern. Diese Absichtserklärung stieß aber auf Kritik, nicht zuletzt bei der EU-Kommission selbst.

In harschen Worten hatte Microsoft in seiner Eingabe alle Vorwürfe der Kommission zurückgewiesen und den Wettbewerbshütern unter anderem vorgeworfen, wichtige Informationen ignoriert und Microsoft ein gebührendes Vorgehen zu seiner Verteidigung verweigert zu haben. Auf einer eigenen Website dokumentiert Microsoft nun das Antwortschreiben an die EU-Kommission, einen Bericht über die Bemühungen, die Auflagen einzuhalten, sowie einen Report über das US-Lizenzprogramm für die Kommunikationsprotokolle. Als Anlage zu dem Schreiben veröffentlicht Microsoft unter anderem auch E-Mail-Verkehr zwischen Microsoft-Managern (darunter Steve Ballmer) und der Kommission, mit denen die Bereitschaft Microsofts belegt werden soll, auf Anforderungen der Kommission einzugehen, während diese die Angebote Microsofts ignoriert habe.

Außerdem veröffentlicht Microsoft die Expertenberichte, darunter von Prof. Dr. Manfred Broy vom Lehrstuhl für Software & Systems Engineering am Institut für Informatik der TU München. Auch Berichte etwa des "Documentation Architect" und von Entwicklern aus der Windows-Sparte hat Microsoft bereitgestellt, die die Dokumentation zu den Workgroup-Server-Protokollen vorstellen und auf Kritik der EU-Kommission eingehen.

Nach Meinung von Microsoft habe man mit diesen Dokumenten im Detail dargelegt, dass man die Auflagen der EU-Kommission mit den bislang getroffenen Maßnahmen zur Protokolllizenzierung und zur Lizenzierung des Server-Quellcodes voll erfülle. Außerdem beweise man, dass die Kommission wichtige Informationen ignoriert habe -- so sei Microsoft einer ernsthaften Verteidigungsmöglichkeit beraubt worden.

Die Kommission äußert sich gegenwärtig nicht weiter zu dem Verfahren, sondern erklärt, man werde die eingereichten Dokumente von Microsoft sorgfältig prüfen. Außerdem werde Microsoft bei der von dem Konzern beantragten mündlichen Anhörung Gelegenheit haben, die Argumente vorzutragen. Einen Termin für diese Verhandlung gibt es bislang nicht. Bis die Prüfung der Dokumente abgeschlossen ist und die Anhörung stattgefunden hat, wird es keine weiteren Maßnahmen der Kommission geben; erst dann wird auch über die angedrohte tägliche Geldstrafe entschieden. (jk)