"Steam Frame": Valves nächste VR-Brille darf sich keine Kompromisse erlauben

Ein neues Headset, ein neuer Markenname und eine neue Zielgruppe: Valve bastelt an einer VR-Brille, die den XR-Markt erneut aufmischen könnte.

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Eine dunkle VR-Brille auf schwarzem Hintergrund

Die Zeit für einen Nachfolger der Valve Index scheint gekommen. Valves nächste VR-Brille könnte unter dem Namen "Steam Frame" erscheinen.

(Bild: Valve / heise Medien)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Das Nachfolge-Headset zur Valve Index, das bisher unter dem Codenamen "Deckard" die Runde machte, hat jetzt womöglich einen offiziellen Namen: "Steam Frame". Valve hat Anfang September beim US-Patentamt einen entsprechenden Markeneintrag hinterlegt. Das passt nicht nur zur Namenslogik des Unternehmens – Steam Deck, Steam Link, Steam Controller –, sondern auch zu einem neuen Fokus auf räumliche Interfaces. In aktuellen SteamVR-Updates entdeckten Dataminer bereits erste Codezeilen, die statt von "Overlays" von "Frames" sprechen. Zeit, sich die nächste Valve Index genauer anzusehen.

Das Gerät selbst soll ein Hybrid werden: ein autarkes Headset mit eigenem SteamOS-Betriebssystem, das zugleich via USB-Dongle oder Kabel als PC-VR-Brille funktioniert. Das Ziel: ein Steam Deck für den Kopf. So beschreibt es zumindest VR-Leaker Brad Lynch, der sich seit 2021 intensiv mit Deckard befasst, hervorragend vernetzt ist und mit seinem Team immer wieder neue Details aus Codezeilen extrahiert. Lynch fand letztes Jahr versehentlich in SteamVR gelandete Rendermodelle neuer VR-Controller-Prototypen. Erst vor wenigen Tagen gelang es ihm schließlich erneut, solche Modelle zu extrahieren – dieses Mal soll es sich um die finale Version der unter dem Projektnamen "Roy" bekannten VR-Controller von Valves nächstem Headset handeln.

So könnten die VR-Controller der nächsten Steam-VR-Brille aussehen - zumindest, wenn man Dataminern glauben schenkt.

(Bild: Valve / X-Nutzer @Down_90)

Laut Lynch sei die gesamte Hardware mittlerweile nahezu ausgereift und werde bereits für die Serienproduktion vorbereitet. Die Veröffentlichung soll Ende 2025 oder Anfang 2026 erfolgen, auch wenn Valve sich wie üblich bedeckt hält. Das Design der Roy-Controller erinnert auffällig an klassische Gamepads. Statt wie bei den meisten gängigen VR-Controllern üblich, verteilt Valve die Aktionstasten A, B, X, Y nicht auf beide Controller, sondern legt sie allesamt auf die rechte Seite. Links findet sich stattdessen ein Steuerkreuz – ein Novum bei reinen VR-Controllern. Dazu kommen die gängigen Analogsticks, Schulter- und Grifftasten. Beide Controller verfügen über eine Steam-Taste und je eine Start- bzw. Select-Taste, wie man sie vom Steam Deck kennt.

Bleibt es bei diesem Layout, wären auch "flache" Steam-Spiele auf einem virtuellen Großbildschirm komfortabel spielbar. Laut Lynch ist das Ziel, möglichst viele Steam-Titel lokal und ohne Internetverbindung direkt auf dem Headset spielbar zu machen – ein wichtiger Punkt, der auch bei Menschen ohne VR-Affinität zu einem zentralen Kaufargument für die "Steam Frame" werden könnte. Denn anders als Metas halbgare Xbox-Kooperation, die auf Cloud-Streaming setzt, will Valve eine komplett lokale Experience liefern. Was auf dem Rechner installiert ist, soll ohne Umwege in die Brille gestreamt werden können.

Um dabei ein möglichst scharfes und klares Bild zu liefern, soll das Headset über Pancake-Linsen, Displays mit mindestens 1.440p pro Auge und 120 Hz Bildwiederholrate verfügen. Angetrieben wird das Ganze laut Lynch von einem ARM-basierten Qualcomm-Chip, vermutlich ein XR2+ oder vergleichbar, ähnlich wie in Samsungs kommendem XR-Headset. Um herkömmliche PC-Spiele auf ARM lauffähig zu machen, soll Valve intern an einer Emulationslösung arbeiten. Diese soll ähnlich wie Proton beim Steam Deck dafür sorgen, dass Windows-Apps unter Linux – respektive SteamOS – funktionieren.

Was zunächst nur für Gamer interessant zu sein scheint, könnte auf den zweiten Blick auch eine Zielgruppe ansprechen, die in dieser Qualität bisher nur von Apple bedient wird. Neben Gaming könnte die Steam Frame genauso die Medienwiedergabe auf dem Big Screen, Produktivität in Mixed Reality, 3D-Design-Apps oder das virtuelle Spiegeln und Erweitern des eigenen Desktops beherrschen.

Valve will offenbar nicht nur ein weiteres Enthusiasten-Headset abliefern, sondern ein System aufbauen, das Steam als Plattform in die XR-Welt überträgt. Entwickler sollen ihre Quest-Apps leicht portieren können. Einige Studios arbeiten laut Lynch bereits mit Dev-Kits. Damit könnte Valve die Fragmentierung des Markts auf einen Schlag aufbrechen und viele Standalone-Exklusivtitel auch für Steam-Nutzer zugänglich machen. Sogar Gerüchte um eine native Standalone-Fassung von Half-Life: Alyx kursieren schon seit Längerem.

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Steam Frame könnte auch den lang ersehnten grafischen Qualitätssprung für Standalone-VR liefern, denn sie soll sowohl Eye-Tracking als auch Foveated Rendering beherrschen – also die Technik, bei der nur der vom Auge fokussierte Bildbereich in voller Auflösung gerendert wird. Das spart Rechenleistung und erhöht die Darstellungsqualität dort, wo es zählt. Die dafür nötige Energieleistung soll ein Akku liefern, der ähnlich wie bei Pico 4 Ultra, am Hinterkopf sitzt, um das Gewicht besser zu verteilen.

Auch beim Tracking geht Valve neue Wege und verabschiedet sich vom extrem genauen, aber umständlichen Lighthouse mit seinen externen Basisstationen als einziger Trackinglösung. Stattdessen soll Steam Frame auf das mittlerweile ebenfalls sehr akkurate kamerabasierte Inside-Out-Tracking setzen. Es soll auch schon Prototypen gegeben haben, die zusätzlich über IR-basiertes Tiefenlicht verfügen, möglicherweise als eine Art „Lighthouse 3.0“ für dunkle Umgebungen oder, um das neue Headset mit bestehenden Lighthouse-Konfigurationen kompatibel zu machen.

Preislich liegt das Headset laut mehreren Quellen bei etwa 1.200 US-Dollar und damit weit entfernt von Quest-Preisen, aber in etwa auf dem Niveau der Valve Index. Gleichzeitig würde die Steam Frame mit ähnlichen Spezifikationen und Features weit unter dem Preis einer Apple Vision Pro liegen. Valve soll bereit sein, die Hardware mit Verlust zu verkaufen – ein Hinweis darauf, dass es dem Unternehmen nicht um schnelle Gewinne, sondern um langfristige Plattformbindung geht.

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Die Zeichen für eine tatsächliche Veröffentlichung von "Deckard" oder "Steam Frame" standen zwar noch nie so gut, dennoch ist sie nicht in Stein gemeißelt. Dass Valve Projekte auch im letzten Moment wieder einstampft, ist bekannt. Eine überarbeitete Version der Index mit WiGig-Funktechnik wurde einst kurz vor Markteinführung gestrichen. Auch eine Steam-Konsole, die SteamVR-Inhalte auf dem Fernseher oder der Valve Index abspielen sollte, verschwand in der Schublade. Zugrunde liegende Technologien blieben allerdings und wurden beispielsweise in Steam Link und dem Steam Deck wiederbelebt.

Ob Steam Frame tatsächlich erscheint oder als Forschungsgrundlage für zukünftige Geräte endet, bleibt also offen – auch, wenn der Zeitpunkt gerade günstig wäre. Die technische Basis scheint solide, der Plattformgedanke klar, die Zielgruppe definiert. Zudem hat sich der XR-Markt seit der Valve Index verändert. Meta sucht nach Richtung, Apple nach Käufern, Sony hält sich zurück und Microsoft wirkt komplett desinteressiert. Valve könnte also genau zur richtigen Zeit mit einem Gegenentwurf aufschlagen, der mehr ist, als der nächste Kompromiss.

Eine Analyse von Josef Erl
Josef Erl

Josef Erl ist freier Online-Journalist mit Schwerpunkt auf Virtual Reality, Augmented Reality, XR-Technologien und Gaming. Seit Juni 2025 schreibt er regelmäßig für heise online über die neuesten Entwicklungen in immersiven Technologien.

(joe)