Die multimediale Schlacht ums Weiße Haus

Im Kampf um das US-Präsidentenamt werden die drei Fernsehdebatten als wichtigsten Mittel angesehen, Wähler für sich zu gewinnen -- doch die multimediale Schlacht geht mittlerweile weit darüber hinaus und erfasst Internet wie DVD-Markt.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Nico Jurran

Im Kampf um das US-Präsidentenamt betrachten Republikaner wie Demokraten die drei Fernsehdebatten bis zur Wahl am 2. November 2004 als wichtigstes Mittel, um Wähler für sich zu gewinnen. Dies wundert kaum, da nach einhelliger Meinung schon John F. Kennedy durch seinen Auftritt im allerersten TV-Duell 1960 die damalige Wahl für sich entscheiden konnte: Lag sein Gegner Richard Nixon nach ersten Umfagen bei den Radiohörern noch leicht in Führung, sah er im Fernsehen dann gegen den jugendlich wirkenden Kennedy verschwitzt und im wahrsten Sinne des Wortes blass aus. So ist überliefert, dass der damalige Chicagoer Bürgermeisters Richard Daley bei Nixons Anblick ausgerufen haben soll: "Mein Gott, sie haben ihn einbalsamiert, bevor er gestorben ist!"

Und mittlerweile ist die Fernsehtechnik in den USA so fortgeschritten, dass dem Zuschauer auch kleinste Details nicht mehr verborgen bleiben: Unter der Überschrift The Bush-Kerry Debate: Who Looks Better in HDTV? stellt US-Journalist Phillip Swann beispielsweise fest, dass John Kerrys Gesicht im hochauflösenden Fernsehen etwas "uneben erschien" und der Herausforderer im Laufe der Diskussion "sichtbar um Kinn, Lippe und Schläfe schwitzte" -- und das, nachdem Zuschauer und Politikexperten der US-Fernsehsender ABC, CBS und CNN John Kerry als kühl wirkenden Herausforderer kurz nach der 90-Minuten-Debatte in Blitzumfragen zum Gewinner der ersten Runde erklärt hatten.

Nicht nur die Präsidentschaftskandidaten selbst setzen aber auf die Macht der Medien, sondern auch ihre Unterstützer. Allen voran schreitet dabei fraglos Bush-Kritiker Michael Moore, dessen wirtschaftlich überaus erfolgreicher Film "Fahrenheit 9/11" am 5. Oktober in den USA auf DVD erscheint -- und bereits jetzt den 2. Platz der Verkaufcharts des US-Onlinehändlers Amazon.com erobern konnte. Immerhin noch auf Platz 34 steht die Ende März erschienene DVD-Dokumentation "Uncovered: The Whole Truth About The Iraq War. Auf Platz 75 folgt die Dokumentation Unprecedented - The 2000 Presidential Election, die die umstrittene US-Präsidentschaftswahl im Jahre 2000 hinterleuchtet -- in einer "2004 Campaign Edition", einschließlich neuem Kommentar des afro-amerikanischen Schauspieler Danny Glover und einem "neuen Teil über die Gefahr elektronischer Wahlmaschinen".

Doch auch die Bush-Anhänger haben die DVD als Medium für sich entdeckt: Zeitgleich mit Fahrenheit 9/11 kommt auch die Anti-Moore-Dokumentation Fahrenhype 9/11 auf DVD in den US-Handel. Was von Fahrenhype 9/11 zu erwarten ist, zeigt bereits der Trailer, in dem unter anderem der frühere New Yorker Bürgermeister Ed Koch erklärt, dass die USA weiterhin Terroranschläge befürchten müssten und nur George W. Bush die nötigen Führungsqualität für das US-Präsidentenamt besitze. Damit antwortet Fahrenhype 9/11 direkt auf die von Moore in Fahrenheit 9/11 geäußerten Ansichten, dass die derzeitige US-Regierung die Terrorgefahr hochspiele und Bush nach den Anschlägen vom 11. September Führungsschwäche gezeigt habe. Einen Amazon-Verkaufsplatz lässt sich zu Fahrenhype 9/11 nicht nennen: Obwohl der Händler für diesem Titel beim DVD-Preisvergleichsdienst DVD Pricesearch genannt wird, hat Amazon den Titel offenbar nicht im Angebot.

Die gleiche Stoßrichtung wie Fahrenhype 9/11 verfolgt die Bowling For Thruth (in Anspielung auf Moores Film "Bowling For Columbine") genannte Website. Die Macher verfolgen den Plan, jede Szene und jede Textzeile von Fahrenheit 9/11 als Lüge zu enttarnen. In Tauschbörsen kursiert zudem ein Textdokument mit dem Titel "Michael Moore is a Big Fat Stupid White Men", in dem die Lebensgeschichte des Filmemachers äußerst kritisch hinterleuchtet wird.

Allgemein ist allerdings umstitten, ob Fahrenheit 9/11 überhaupt dazu taugt, Bush Wählerstimmen abzuluchsen. So vertreten US-Meinungsforscher die auch von Kerry-Anhänger Woody Allen im Spiegel-Interview geäußerte Meinung, dass den Streifen eh nur die lieben, die sowieso wie Michael Moore empfinden. Doch selbst wenn es dem Filmemacher nicht gelungen sein sollte, die Anhänger der Gegenseite für sich zu gewinnen -- das multimediale Rennen ums Weiße Haus jedenfalls geht vorerst ungebremst weiter. (nij)