Manus: So tickt der Entwickler hinter der KI-App aus China

Yichao Ji entwickelte die KI-App Manus, Nachfolger von Deepseek. Ein Blick auf seinen Werdegang zeigt, welche Entscheidungen ihn zu diesem Erfolg führten.

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Ein Roboter schneidet Filmmaterial

(Bild: Erstellt mit KI in Bing Designer durch heise online / dmk)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Caiwei Chen
Inhaltsverzeichnis

Als Yichao Ji – auch bekannt als "Peak" – im März in einem Launch-Video für Manus auftrat, hätte er wohl kaum gedacht, dass die vier Minuten und siebzehn Sekunden viral gehen würden. Der 32-Jährige stellte darin in fließendem amerikanischen Englisch das KI-Agentensystem vor, das vom chinesischen Startup Butterfly Effect entwickelt wurde, bei dem Ji den offiziellen Titel Chief Scientist trägt.

Es war keine aufwendige Produktion – das Video wurde von Manus-Mitbegründer Zhang Tao gedreht und in einer Ecke des Büros der Firma in Peking gefilmt. Aber etwas an Jis Vortrag und der Vision hinter dem Produkt stach aus der Masse der vielen KI-Ankündigungen heraus. Das Produkt, damals noch in einer frühen Vorschauversion, die nur per Einladungscode verfügbar war, verbreitete sich innerhalb weniger Tage vom chinesischen Internet in die ganze Welt. Nur eine Woche nach seiner Einführung hatte Manus eine Warteliste, auf der rund zwei Millionen Menschen standen.

Auf den ersten Blick funktioniert Manus wie die meisten Chatbots: Benutzer können ihm in einem Fenster Fragen stellen und Prompts eintippen. Die Software soll Antworten geben und auch Aufgaben ausführen können. In unserem Test, einen zweiwöchigen Kroatien-Trip zusammenzustellen, zeigte sich Manus allerdings eher langsam, intransparent und ineffizient.

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Dennoch lohnt sich ein näherer Blick auf den Entwicklungsansatz von Ji. Er lebt derzeit in Singapur und leitet die Produkt- und Infrastrukturentwicklung von Butterfly Effect, während das Unternehmen seine globale Expansion vorantreibt. Trotz seines relativ jungen Alters verfügt Ji über mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung in der Entwicklung von Produkten, die technisch komplex sind, aber dennoch leicht zu bedienen. Das verschaffte ihm Glaubwürdigkeit sowohl bei Ingenieuren als auch bei Investoren – und brachte ihn an die Spitze einer aufstrebenden Klasse chinesischer KI-Gründer mit globalen Ambitionen.

Als Sohn eines Professors und einer IT-Fachkraft zog Ji im Alter von vier Jahren nach Boulder, Colorado, wo sein Vater eine Gastprofessur innehatte, und kehrte in der zweiten Klasse nach Peking zurück. Sein fließendes Englisch hob ihn schon früh von anderen ab, aber erst ein Robotik-Team in der Grundschule weckte sein Interesse für das Programmieren. In der High School leitete er dann den Computerclub, brachte sich selbst bei, wie man Betriebssysteme entwickelt, und ließ sich von Bill Gates, Linux und der Open-Source-Bewegung inspirieren. Er beschreibt sich selbst als lebenslangen Apple-Fan. Es war dann auch die Einführung des App Stores durch den iPhone-Konzern im Jahr 2008, die seine Leidenschaft für die App-Entwicklung entfachte.

Im Jahr 2010, als Schüler der zehnten Klasse, entwickelte Ji Mammoth, einen breit konfigurierbaren iPhone-Browser als Alternative zu Apples Safari. Dieser wurde schnell zum meist heruntergeladenen Drittanbieter-Browser, der jemals von einer Einzelperson in China entwickelt wurde, und brachte ihm 2011 den Macworld Asia Grand Prize ein. Die Website App Advice bezeichnete Mammoth als ein Produkt, das „die Art und Weise, wie man im Internet surft, neu definieren“ könne. Mit 20 Jahren war er auf dem Cover einer lokalen Ausgabe des Forbes-Magazins und schaffte es auf dessen Liste "30 Under 30" für China.

Die US-amerikanische Ausgabe von MIT Technology Review wählte Yichao Ji unter die Liste der "Innovators under 35" in der Kategorie Künstliche Intelligenz. Die jährliche Ausschreibung kürt Personen, die mit ihren Ideen Fortschritte auf ihren Gebieten erzielen. Die komplette Liste ist jetzt online.

Während seiner Teenagerjahre entwickelte Ji mehrere weitere iOS-Apps, darunter ein Budgetierungstool für das Monopoly-Spiel von Hasbro, das sich gut verkaufte – bis er wegen der Verwendung des markenrechtlich geschützten Namens eine Abmahnung erhielt. Doch Ji ließ sich durch diese frühe Begegnung mit einem multinationalen Anwaltsteam nicht von einer Karriere in der Tech-Branche abbringen. Wenn überhaupt, so sagt er, habe dies seinen Instinkt für Produkte und Risiken geschärft.

2012 gründete Ji sein eigenes Unternehmen, Peak Labs, und leitete später die Entwicklung der alternativen Suchmaschine Magi. Das Tool extrahierte Informationen aus dem gesamten Web, um Suchanfragen zu beantworten – konzeptionell ähnlich wie heutige KI-gestützte Suchmaschinen, jedoch basierend auf einem speziellen (noch einfachen) Sprachmodell. Magi war kurzzeitig sehr beliebt und zog im ersten Monat Millionen von Nutzern an, aber die Akzeptanz hielt nicht an. Es weckte jedoch das Interesse von Unternehmen, und Ji passte es für den B2B-Einsatz an, bevor er es 2022 verkaufte.

Manus wurde sein nächstes Projekt – und ein noch ehrgeizigeres. Jis Mitgründer Zhang Tao und Xiao Hong ergänzen sein technisches Know-how mit Kenntnissen in den Bereichen Produkt, Storytelling und Organisation. Sowohl Xiao als auch Ji sind Serienunternehmer, die mehrfach von der Risikokapitalfirma Zhen Fund unterstützt wurden. Zusammen stehen sie für eine Art von langfristiger Zusammenarbeit und internationalem Ehrgeiz, die zunehmend die nächste Generation von IT-Unternehmern in China prägt.

Menschen, die mit Ji zusammengearbeitet haben, beschreiben ihn als klaren Denker, schnellen Redner und engagierten Macher, der in Systemen, Produkten und Nutzungsabläufen denkt. Er repräsentiert eine neue Generation chinesischer Startup-Menschen: Er ist gleichermaßen zu Hause im Programmieren wie in Pitch-Meetings und beherrscht sowohl das Entwickeln als auch das Branding. Er ist auch ein Produkt der Open-Source-Kultur und bleibt hier aktiv, seine Projekte bekommen regelmäßig Aufmerksamkeit aus der Entwickler-Community.

Mit frisch eingeworbenen Risikokapitalmitteln des US-amerikanischen Investors Benchmark konnten Ji und sein Team Manus auf den Weltmarkt bringen und verlegten den Betrieb außerhalb Chinas nach Singapur. Sie richten sich aktiv an User auf der ganzen Welt. Das Produkt basiert auf US-Infrastruktur und nutzt Systeme wie Claude Sonnet, Microsoft Azure und Open-Source-Tools wie Browser Use. Es handelt sich um eine eindeutig globale Ausrichtung: ein von einem chinesischen Team entwickelter KI-Agent, der auf westlichen Plattformen basiert und für internationale Nutzer konzipiert ist. Das ist kein Zufall, sondern spiegelt die zunehmend fließendere Struktur der KI-Startups wider, in der Talente, Infrastruktur und Ambitionen ebenso schnell Grenzen überschreiten wie die Technik selbst.

Für Ji ist das Ziel nicht nur der Aufbau eines globalen Unternehmens, sondern auch der Aufbau einer "Legacy", wie er sagt. "Ich hoffe, dass Manus das letzte Produkt ist, das ich jemals entwickeln werde", sagt er. "Denn wenn ich jemals wieder eine verrückte Idee haben sollte, werde ich sie einfach Manus überlassen!"

Dieser Beitrag ist zuerst auf t3n.de erschienen.

(jle)