Buchkritik: The Magic of Code
Für Samuel Arbesman ist Code geradezu allgegenwärtig. Nicht nur bei Programmierkundigen möchte er ein Bewusstsein dafür wecken.
- Maik Schmidt
Der griechische Mathematiker und Philosoph Pythagoras prägte das Motto "Alles ist Zahl". Analog dazu besteht die Welt für Samuel Arbesman komplett aus Code. Der Komplexitätsforscher mit Doktorgrad in Philosophie arbeitet für ein Risikokapitalunternehmen und ist in angewandter Mathematik, Technik sowie dem Studium sozialen Verhaltens gleichermaßen heimisch. In seinem Buch wendet er sich nicht etwa primär an Programmierkundige, sondern an Laien. Ihnen erklärt er zunächst, dass Computer universelle Maschinen sind. Programmierer erwecken diese durch Texte zum Leben und verwandeln sie dabei in Werkzeuge für die unterschiedlichsten Zwecke.
Diese Texte sind Code. Arbesman setzt Software-Quelltexte in Beziehung zu allgemeiner Literatur. Dabei ergeben sich faszinierende Gedankengänge: Reguläre Ausdrücke haben plötzlich manches mit Zaubersprüchen gemeinsam. Die Art, wie Code über Generationen hinweg überlebt, korrespondiert mit der Überlieferung klassischer Texte. Ähnlich wie diese verstehen wir heute viele IT-Systeme nicht mehr völlig, dennoch tradieren wir sie.
Der Autor vergleicht Code auch mit natürlicher Sprache und beleuchtet literarische Eigenschaften verschiedener Programmiersprachen. Während diese Abschnitte regelrecht unterhaltsam wirken, leuchtet in den Kapiteln über Tabellenkalkulationen und No-Code- beziehungsweise Low-Code-Ansätze ein tieferes Anliegen Arbesmans auf: Es geht ihm darum, Programmierung zu demokratisieren. Er will einer priestergleichen Entwicklerzunft die Herrschaft über den Code aus den Händen nehmen. Zu diesem Zweck findet er unter anderem Large Language Models verheißungsvoll.
Ein wichtiges Thema ist für den Autor auch die Rolle, die Code in der Biologie spielt: Er spricht über Analogien von digitalem und natürlichem Code, erklärt die Funktionsweise der DNA und vergleicht Ribosomen mit Open-Source-Komponenten. Über die Simulation von Evolution mithilfe von Code gelangt er dazu, über die Entstehung künstlichen Lebens zu spekulieren. Konsequenterweise geht er am Ende der ultimativen Frage über Physik, Realität und Berechenbarkeit nach. In diesem Zuge spart er auch das populärkulturell oft bemühte Matrix-Motiv nicht aus: Leben wir vielleicht alle in einer Simulation?
Samuel Arbesmans außergewöhnliches Buch vermittelt auf unterhaltsame Weise nicht nur viel Allgemeinwissen über Code, sondern zieht auch überraschende Verbindungen zwischen verschiedenen Bereichen von Wahrnehmung und Technik. Sein Englisch ist leicht verständlich und er erklärt selbst komplizierte Sachverhalte auf gut verdauliche Weise.
Samuel Arbesman
The Magic of Code
How Digital Language Created and Connects Our World – and Shapes Our Future
- PublicAffairs, New York 2025
- ISBN 978-1541704480
- 304 Seiten, 28 € (Epub-/Kindle-E-Book: 17 €)
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(psz)