"Wiener Erklärung" sucht Gleichgewicht im Urheberrecht

Eine Gruppe österreichischer Wissenschafter hat zehn Thesen zur Informationsfreiheit formuliert.

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Eine Gruppe österreichischer Wissenschafter hat zehn Thesen zur Informationsfreiheit formuliert. Die "Wiener Erklärung" fordert eine Anpassung der rechtlichen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen an die technische Entwicklung, um Wissenstransfer und Zugang zu digital gespeicherten Informationen zu optimieren. Die Rechtsordnung müsse die Interessen von Urhebern, Verwertern und der Allgemeinheit in ein Gleichgewicht bringen: "Das Recht hat Vorrang zu genießen vor technisch bedingten Tatsachen, die von beherrschenden Marktteilnehmern geschaffen werden." Die "Wiener Erklärung" kann von allen Interessierten, die sie unterstützen wollen, online unterzeichnet werden, bis sie am 15. Juni im Rahmen des Chaos Control '05 offiziell präsentiert wird.

Zu den "Maßnahmen zur Gewährung des bestmöglichen Zugangs zu Informationen und Wissen", die den Verfassern am Herzen liegen, gehören eine Reform des Urheberrechts zwecks Erhaltung der freien Werknutzung für Forschung, Lehre und Bildung, der unentgeltliche Zugang zu Ergebnissen staatlich finanzierter Forschung sowie die Information von Urhebern über die rechtlichen Regelsysteme, insbesondere Open-Content-Lizenzen und Open-Access-Initiativen. Überhaupt müsse rechtspolitisch überprüft werden, "ob das Urheberrecht das Gleichgewicht zwischen Urhebern, Verwertern sowie der Allgemeinheit weiterhin in gebotener Weise garantiert". Die Wissenschafter scheuen sich auch nicht, den Staat in die Pflicht zu nehmen. Es sei seine Aufgabe, "zu verhindern, dass der fehlende technische Zugang zu Informationen zu einem Verlust von Wissen führt." Bildungsmaßnahmen, Rechtsänderungen und Geld seien dafür erforderlich.

Nicht zuletzt müsse der Staat als Vorbild im Umgang mit Informationen dienen. "Er hat daher den Zugang zu öffentlichen Informationen technisch und rechtlich bestmöglich zu erleichtern. Die Schaffung eines durchsetzbaren Rechts der Bürger auf Zugang zu staatlichen Informationen auf der Basis eines österreichischen bzw. EU-weiten Informationsfreiheitsgesetzes nach internationalem Vorbild sowie die wirksame Kontrolle der Gebarung der staatlichen elektronischen Register und Daten, ist zu thematisieren." Zu den Verfassern der Wiener Erklärung zählen der Hannoveraner Rechtsprofessor Nikolaus Forgó, der auch Leiter des Wiener Universitätslehrganges für Informationsrecht und Rechtsinformation ist, Walter Seböck von der Donau-Universität Krems, Leonhard Reis von der Akademie der Wissenschaften, Florian Philapitsch von Juridicum Online und Michael Nentwich vom Institut für Technikfolgenabschätzung.

Der wissenschaftliche Kongress Chaos Control findet am 15. und 16. Juni in Wien statt, der Eintritt ist frei. Am Programm dieser fünften Auflage stehen Vorträge zu den Themen Softwarepatente, technische Zugangsbeschränkungen, Creative Commons, digitales Wissen und offener Zugang zu den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung. Den Abschluss bildet eine Podiumsdiskussion über die Notwendigkeit eines Informationsfreiheitsgesetzes. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)