Elektronische Patientenakte wird für Ärzte und Apotheker verpflichtend

Ab Oktober müssen Ärzte und Apotheker die elektronische Patientenakte befüllen. Ein Bündnis weist auf das Opt-out hin.

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Stilisierte Darstellung eines menschlichen Körpers als Gitternetzmodell über einem Skelett, überlagert von einer ebenso stilisierten Weltkugel und auf Umlaufbahnen umkreist von Symbolen für Organe und medizinische Geräte.

(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Ab dem 1. Oktober 2025 ist die elektronische Patientenakte (ePA) für Ärzte, Psychotherapeuten und Apotheken verpflichtend. Dann müssen sie die ePAs aller gesetzlich Versicherten befüllen. Sanktionen drohen Praxisärzten ab Januar 2026. Die meisten der 70 Millionen gesetzlich Versicherten haben bereits seit Anfang des Jahres eine ePA. Wer sie nicht möchte, muss aktiv widersprechen.

Beim Einlesen der Gesundheitskarte wird für Ärzte standardmäßig ein 90-tägiges Zugriffsrecht vergeben. Auch ohne aktive Nutzung durch die Versicherten laden Ärzte Befunde, Diagnosen und Verordnungen in die ePA hoch. Wer eingreifen möchte, kann per App gezielt festlegen, welche Ärzte welche Daten sehen dürfen. Derzeit gibt es 3,5 Millionen GesundheitsIDs, was ein Hinweis auf die Nutzung der elektronischen Patientenakte sein kann. Wer die ePA nutzen möchte, benötigt eine GesundheitsID, die Versicherte sich mithilfe des Personalausweises samt PIN oder der Gesundheitskarte samt PIN erstellen können.

Die Krankenkassen rechnen damit, dass die verpflichtende Befüllung die Nutzung beschleunigt. "Mit der Verpflichtung zur Befüllung und Nutzung der ePA ab dem 1. Oktober dürfte sich der Anteil der Versicherten, die mit dem Thema in Berührung kommen, deutlich erhöhen", sagte AOK-Chefin Carola Reimann der dpa.

Bei den Krankenhäusern ist mit einem flächendeckenden Einsatz im Laufe des kommenden Jahres zu rechnen. Auch niedergelassene Ärzte hatten zuletzt teils noch auf Softwaremodule warten müssen. Zum 1. Oktober sollen nach Gematik-Angaben über 90 Prozent der Praxen technisch bereitstehen. Jedoch könnte es noch Schwierigkeiten bei der Bereitstellung einzelner Komponenten geben. Ebenso dürfte es noch etwas dauern, bis wirklich alle Praxisverwaltungssysteme ausgereift sind oder Praxen das System gewechselt haben. Ärzte, die im kommenden Jahr nicht die ePA befüllen können, riskieren Strafen – bis hin zum kompletten Abrechnungsausschluss. Das Bundesgesundheitsministerium hatte vor fast zwei Jahren empfohlen, im Zweifel das Praxisverwaltungssystem zu wechseln – mit potenziell hohen Kosten für die Praxen.

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Wie viele Praxen tatsächlich technisch in der Lage sind, die ePA zu befüllen, bleibt abzuwarten. Spannend dürfte auch der Jahreswechsel samt Umstieg von RSA- auf ECC-Verschlüsselung (Elliptic Curve Cryptography) werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte in der Vergangenheit eine Verlängerung der Nutzung von RSA-Schlüsseln der Größe 2048 Bit im Gesundheitswesen gefordert, um einen reibungslosen und sicheren Umstieg auf ECC zu ermöglichen.

Für die rund 8,7 Millionen Privatpatienten läuft es weniger automatisch. Nur fünf der 36 privaten Krankenversicherungen mit Vollversicherung bieten bislang die ePA an. Zudem ist bisher nicht geplant, dass die pseudonymisierten Daten der Privatversicherten an das Forschungsdatenzentrum Gesundheit übermittelt werden.

Die Verpflichtung zur Befüllung der ePA nutzt das Bündnis "Widerspruch gegen die ePA", um erneut vor massiven Problemen bei der ePA zu warnen. Nur wenige gesetzlich Versicherte nutzen bisher die ePA, "während ein größerer Anteil von 11 Prozent der Anlage ihrer ePA widersprochen hat", sagt Jurist Jan Kuhlmann, Sprecher des Bündnisses. Ende August lag die Anzahl der angelegten Akten nach Angaben der Gematik noch knapp über 70 Millionen. Gleichzeitig stehe das Projekt ePA Kuhlmann zufolge unter ähnlicher Kritik wie das E-Rezept, das zuletzt durch häufige Ausfälle die Arzneimittelversorgung beeinträchtigte.

"Die versprochenen Praxistests und die Beseitigung aller Sicherheitslücken sind ausgeblieben", kritisiert die Hamburger Ärztin Silke Lüder. Statt Verbesserungen erlebe man instabile Technik, hohen Aufwand und zusätzliche Kosten. Dennoch müssten Praxen mit Sanktionen rechnen, wenn sie die ePA nicht befüllen. Der Münchner Psychotherapeut Andreas Meißner sieht zudem die ärztliche Schweigepflicht in Gefahr. "Die Umstellung auf ein Opt-out-System und gesenkte Sicherheitsvorgaben öffnen Tür und Tor für weitreichende Zugriffe auf Patientendaten." Statt medizinischer Versorgungsqualität stehe die Nutzung großer Datensätze für kommerzielle Zwecke im Vordergrund.

Kürzlich hatte auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) darauf hingewiesen, dass die Krankenkassen automatisch ihre Abrechnungsdaten für alle sichtbar in die ePA einstellen – es sei denn, Versicherte widersprechen. Selbst, wenn Ärzte Informationen nicht einstellen, werden sie durch die Abrechnungen der Kassen sichtbar. Allerdings wolle sich das Bundesgesundheitsministerium laut KBV der Thematik annehmen.

(mack)