Schiff spioniert kritische Infrastruktur in europäischen Gewässern aus

Das russische Spionageschiff Yantar kartiert offenbar systematisch Unterseekabel und Pipelines. Satellitenbilder zeigen verstärkte Aktivitäten seit 2023.

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Die britische Fregatte HMS Somerset udn das russische Schiff Yantar

Die britische Fregatte HMS Somerset überwachte die Aktivitäten des russischen Schiffes Yantar in der britischen See

(Bild: Ministry of Defence)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Das russische Spionageschiff Yantar war offenbar im vergangenen November auf einer dreimonatigen Überwachungsmission durch europäische Gewässer unterwegs und hat dabei systematisch kritische Unterwasserinfrastruktur kartiert. Wie die Financial Times unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet, segelte das blau-weiße Schiff von der russischen Kola-Halbinsel um Norwegen herum durch den Ärmelkanal bis ins Mittelmeer und habe dabei Unterseekabel ausgeforscht, auf die NATO-Staaten für Internetverbindungen, Energieversorgung und militärische Kommunikation angewiesen sind.

Satellitenbilder der Europäischen Weltraumorganisation ESA zeigen die Yantar am 14. November in der Irischen See, wo sie ohne Positionssignal über Kabeln operierte. Radaraufnahmen des Sentinel-1-Satelliten belegen laut FT, dass das Schiff sich langsam über den Unterwasserleitungen bewegte und dabei seine Aktivitäten zu verschleiern suchte. Auch zwischen Norwegen und dem strategisch wichtigen Svalbard-Archipel in der Arktis wurde das Spionageschiff über Kabelverbindungen identifiziert.

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Die Yantar gehört laut Sicherheitskreisen zur geheimen russischen Militärabteilung GUGI (Glavnoye Upravlenie Glubokovodnikh Issledovanii), die für Tiefseeoperation zuständig sein soll. Diese Einheit verfüge über rund 50 Fahrzeuge, darunter U-Boote und kleinere Tauchfahrzeuge, die Tiefen von bis zu 6.000 Metern erreichen können – mehr als zehnmal tiefer als konventionelle Militär-U-Boote. Das als Forschungsschiff getarnte Fahrzeug sei mit umfangreicher Überwachungsausrüstung ausgestattet, einschließlich unbemannter Unterwasserfahrzeuge zur Meeresbodenuntersuchung.

Bereits im Januar hatte der britische Verteidigungsminister John Healey öffentlich vor der "wachsenden russischen Aggression" gewarnt, nachdem die Yantar in britischen Gewässern nahe kritischer Infrastruktur gesichtet worden war. Die Royal Navy entsandte daraufhin Kriegsschiffe zur Überwachung und ließ sogar ein Atom-U-Boot der Astute-Klasse als Abschreckungsmaßnahme auftauchen.

Militärische Analysen zeigen, dass die Yantar Teil einer größeren russischen Überwachungskampagne war, bei der mehrere russische Marineschiffe 13 Monate lang britische Gewässer überwachten. Nach einer Ruhephase 2022 und 2023 verstärkte Russland seine Unterwasser-Spionageaktivitäten wieder deutlich.

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Die Bedrohung für Unterseekabel ist besonders kritisch, da 99 Prozent der britischen digitalen Kommunikation über diese Verbindungen abgewickelt wird. Weltweit transportieren 1,7 Millionen Kilometer Unterseekabel praktisch den gesamten internationalen Datenverkehr. Experten warnen vor den weitreichenden Folgen möglicher Sabotageakte auf Volkswirtschaften und den freien Informationszugang.

Die russischen Spionageschiffe können laut Experten ein großes Spektrum verdeckter Operationen erledigen. Neben der Kartierung von Unterwasserinfrastruktur für potenzielle Sabotageakte könnten die gesammelten Daten auch für militärische Invasionspläne genutzt werden – um etwa Stromversorgung zu unterbrechen oder Notfallkommunikation zu stören.

Als Reaktion auf die wachsende Bedrohung entwickeln NATO-Staaten neue Schutzmaßnahmen. Dänemark setzt bereits autonome Überwasserdrohnen zur Überwachung von Nord- und Ostsee ein, während die Royal Navy Unterwasserroboter zum Schutz von Pipelines und Seekabeln testet. Diese können nicht nur Veränderungen an der Infrastruktur erkennen, sondern auch Sprengladungen beseitigen.

(mki)