Streit um EU-Konsultation zum Gemeinschaftspatent verschärft sich

Die Free Software Foundation und der Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur fürchten die rechtliche Absegnung von Softwarepatenten, während die Business Software Alliance eine Stärkung des Patentsystems befürwortet.

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Die von der EU-Kommission Anfang Januar gestartete Konsultation über die Zukunft des europäischen Patentsystems hat alte Widersacher im langjährigen Streit über Softwarepatente in der EU wieder auf den Plan gerufen. Beide Seiten haben dabei offiziell gänzlich unterschiedliche Sichtweisen, um was es bei der Befragung und dem damit einhergehenden "letzten Anlauf" für ein EU-Gemeinschaftspatent im Kern gehen soll.

"Im Vordergrund stehen Verfahrensfragen", betonte Francisco Mingorance, Cheflobbyist des Unternehmensverband Business Software Alliance (BSA) am heutigen Montag bei einem Hintergrundgespräch in Brüssel, zu dem die Free Software Foundation Europe (FSFE) geladen hatte. Die von der Kommission vorgeschlagenen Alternative würden sich vor allem darauf beziehen, das Patentsystem etwa durch das Einsparen von Übersetzungen und die Einrichtung eines einheitlichen Streitgerichts effizienter zu gestalten. Pieter Hintjens, Präsident des Fördervereins für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII), stemmte sich jedoch gegen derlei Bemühungen, solange dadurch die weit gehende Praxis des Europäischen Patentamts (EPA) bei der Vergabe von Schutzansprüchen auf "computerimplementierte Erfindungen" sanktioniert und Softwarepatente in der EU leichter durchsetzbar würden.

Die Auseinandersetzung entzündet sich an der Tatsache, dass der Vorschlag für ein Gemeinschaftspatent sowie die vom Bundesjustizministerium jüngst gemachte Vorstoß zur vollständigen Ratifizierung des so genannten Londoner Übereinkommens zur Reduzierung der Patentübersetzungen sowie des Streitregelungssystems EPLA (European Patent Litigation Agreement) das umstrittene Fallrecht des EPA mit seiner Bekräftigung von Softwarepatenten nicht verändern würden. Dies wäre ganz im Sinne der BSA: "Der Zug hat längst den Bahnhof verlassen", führte Mingorance aus. "Patente auf computerimplementierte Erfindungen sind seit langer Zeit in der EU verfügbar". Über 20.000 davon seien bereits vergeben worden. Im Sinne der "Wahlfreiheit" bei den Geschäftsstrategien großer Mitglieder seines Verbands wie Apple, HP, Intel, Microsoft oder SAP, die sowohl freie Software als auch proprietäre Systeme unterstützen würden, dürfte sich an dieser Situation nichts ändern. Generell gäbe es keine Nachweise dafür, dass das gegenwärtige Patentsystem in der EU die Innovation behindern würde. Belege für eine Förderung der Wettbewerbskraft europäischer Firmen durch Softwarepatente konnte der Lobbyist aber auch nicht beibringen.

Hintjens konterte, dass die möglichen verheerenden Auswirkungen des Patentschutzes für Computerprogramme bloß noch nicht sichtbar seien, weil sie von nationalen Patentgerichten noch nicht für gültig erklärt worden seien. Dies könne sich jedoch ändern, wenn die Gerichtsbarkeit zentralisiert und von "Richtern des Europäischen Patentamtes" beeinflusst würde. Softwarepatente sind für den Gründer des belgischen IT-Dienstleister iMatix schlicht "eine Ausgeburt der Hölle. Sie entfalten eine zerstörende Wirkung und sind eine obszöne Angelegenheit". Hintjens pocht deswegen darauf, dass sich das EPA endlich an das Europäische Patentübereinkommen hält. Darin wird die Patentierung von Datenverarbeitungsanlagen "als solchen" verboten. Die Kommission habe mit der Konsultation dagegen einen weiteren Versuch unternommen, "das System zu usurpieren". Die wahren Opfer seien sämtliche Firmen, die mit Software arbeiten und nach einer rechtlichen Absicherung von Softwarepatenten mit zahlreichen Klagen zu rechnen hätten.

Heftige Proteste gegen das undurchsichtige Verfahren der EU-Kommission, das für die Konsultation kein zusätzliches Erklärungspapier vorgelegt und die Umfrage nur in wenige Amtssprachen übersetzt hat, legte auch der Brüsseler FSFE-Vertreter Ciarán O'Riordan ein. Die nicht geklärte Problematik der Softwarepatente mache es Programmierern immer schwerer, sich an der Entwicklung von Software zu beteiligen. Die Schutzansprüche auf Computerprogramme würden es allein Konzernen erleichtern, ihre Stellung zu verteidigen und gegen den Wettbewerb abzusichern. Millionen von kleinen und mittleren Firmen sowie Verbraucherschutzgruppen würden dagegen darauf pochen, dass Software endlich klar von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werde.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente in Europa und die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)