Saugroboter-Erfinder warnt vor ĂĽberzogenen KI-Erwartungen

Rodney Brooks, der Erfinder des Roomba, mahnt zur Vorsicht: Nicht jeder KI-Vision folgt ein funktionierendes Produkt.

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Saugroboter fährt unter Sofa

(Bild: Diego Cervo/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • NoĂ«lle Bölling
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Neue Technologien erzeugen aktuell enorme Erwartungen. Laut dem Robotik-Experten Rodney Brooks könnten viele davon allerdings enttäuscht werden. Im Interview mit dem Blog Crazy Stupid Tech sprach er über seinen Umgang mit Innovationen, der sich deutlich von Unternehmen wie OpenAI, Tesla oder Waymo unterscheidet.

Rodney Brooks gilt als einer der renommiertesten Robotik-Experten der Gegenwart. Er war Professor am MIT und leitete dort das Labor für Computerwissenschaft und Künstliche Intelligenz. Außerdem hat er drei Unternehmen gegründet: Neben Robust.AI und Rethink Robotics gehört dazu auch iRobot, das mit dem Roomba einen der weltweit meistverkauften Saugroboter herstellt. Während viele Visionäre nach den Sternen greifen, gilt Brooks als Pragmatiker.

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Im Gespräch sagte er, es gebe eine Tendenz, sich für die schillernden Demoversionen bestimmter Dinge zu entscheiden. Aber: "Sie muss in der chaotischen Realität funktionieren. Deshalb dauert es so lange, bis diese Technologien einsatzbereit sind."

Unternehmen wie OpenAI, Meta und Microsoft investieren Milliarden in die Entwicklung neuer Produkte – dass die aber nicht fehlerfrei funktionieren, ist offensichtlich. Das wohl beste Beispiel dafür sind Chatbots wie ChatGPT. Erst kürzlich hat ein Ehepaar, das den Bot für den Suizid ihres Sohnes verantwortlich macht, OpenAI verklagt. Und auch selbstfahrende Autos wie die von Waymo sind noch weit davon entfernt, sich durchzusetzen.

Neben der Tatsache, dass oft noch der Mensch eingreifen muss, um die Fahrzeuge unfallfrei von A nach B zu bringen, sieht Brooks ein weiteres zentrales Problem: "Es gibt menschliche Eingriffe, aber die Menschen wissen nicht, wie sie helfen können, wenn etwas schiefgeht." Er nannte als Beispiel einen Uber-Fahrer, der sich blind auf das System verließ, aber nicht einmal die Frage beantworten konnte, in welcher Straße sich das Auto befand.

Auch den Hype um Roboter sieht Brooks kritisch. Er ist sogar der Meinung, dass Unternehmen ihr Geld verschwenden. Das Problem: Sie empfinden ihre Modelle dem menschlichen Körper nach, aber allein eine Hand verfügt über rund 17.000 Tastrezeptoren. Roboter können da nicht heranreichen. Das ist auch der Grund, weshalb sich in den Produktionsstätten von Tesla Exemplare des Modells Optimus stapeln – allerdings ohne funktionierende Unterarme und Hände.

Brooks ist die Sache ganz anders angegangen. Anstatt ein "sexy" Produkt zu entwickeln, hat er sich auf die Funktion konzentriert. "Ich sage immer, dass das Erscheinungsbild eines physischen Roboters ein Versprechen darĂĽber gibt, was er leisten kann", sage Brooks. Der Roomba versprach nicht viel, aber das Versprechen, den Boden zu saugen, hat er eingehalten.

Auch mit seinem aktuellen Unternehmen, das intelligente Wagen für Fulfillment-Lager entwickelt, versucht Brooks ein konkretes Problem zu lösen: "Das klingt nicht besonders spektakulär, aber im Fulfillment arbeiten viele Menschen daran, Bestellungen zu kommissionieren und zu versenden."

Einer dieser Wagen trägt den Namen Carta. Er weiß, wo er sich befindet und hilft dabei, die richtigen Artikel zu finden. Wenn eine Kommissionierrunde beendet ist, müssen Mitarbeiter nicht zurücklaufen und einen schweren Wagen durch die Halle schieben. So werden die täglichen Schritte reduziert. "Es ist nicht sexy. Aber es ist eine Technologie, die dazu dient, die Arbeit für die Beschäftigten einfacher und effizienter zu machen."

Bis Computer und das Internet so funktioniert haben, wie wir es heute gewohnt sind, hat es Jahrzehnte gedauert. Brooks ist sich deshalb sicher: Vieles, was oft als zum Greifen nah proklamiert wird, braucht noch viel Zeit – das gilt auch für AGI. Während zum Beispiel OpenAI-Chef Sam Altman immer wieder betont, diese Entwicklungsstufe sei bald erreicht, vertritt Brooks eine andere Meinung. Er sagt: "AGI könnte noch 300 Jahre entfernt sein, weil wir uns mit den falschen Dingen beschäftigen."

Dieser Beitrag ist zuerst auf t3n.de erschienen.

(jle)