Der neue Nanospeicher

Hewlett-Packard hat mit Hynix Semiconductor die kommerzielle Produktion von so genannten ReRAMs vereinbart. Die auf Memristoren basierende Technologie soll doppelt so viele Daten fassen wie Flash-Speicher.

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Von
  • Katherine Bourzac

Die rechte, wegen fehlender Sauerstoffatome positiv dotierte Teilschicht aus TiO2 dehnt sich aus, wenn eine entsprechende Spannung angelegt wird. Dadurch nimmt die elektrische Leitfähigkeit zu, sinkt der Widerstand.

(Bild: Wikipedia)

Hewlett-Packard hat mit Hynix Semiconductor die kommerzielle Produktion von so genannten ReRAMs vereinbart. Die auf Memristoren basierende Technologie soll doppelt so viele Daten fassen wie Flash-Speicher.

In der Computerindustrie ist man sich seit langem einig, dass das atemberaubende Tempo bei Leistungssteigerung und Miniaturisierung in Zukunft nur noch mit Hilfe der Nanoelektronik gehalten werden kann. Die hat bereits viele interessante Prototypen hervorgebracht. Der so genannte Memristor könnte aber das erste Nanobauteil sein, das es nun tatsächlich zur Marktreife schafft: Hewlett-Packard (HP) hat jetzt mit dem koreanischen Elektronikherteller Hynix Semiconductor die kommerzielle Produktion ab 2013 vereinbart. Damit könnten Laptops und Smartphones nicht nur deutlich mehr Daten speichern, sondern auch ohne langes Booten starten.

Memristoren sind Materialsandwiches, die einen veränderlichen Widerstand haben (siehe dazu auch die aktuelle Ausgabe von TR). Sie sind neben Widerstand, Kondensator und Spule die vierten grundlegenden passiven Bauelemente der Elektrotechnik. Der variable Widerstand macht Memristoren als Speichereinheit interessant: Schaltet man ein Gerät aus, behalten sie ihren zuletzt eingestellten Widerstandswert bei. Die Information, die dieser Wert repräsentiert, bleibt so auch ohne kontinuierliche Stromzufuhr erhalten. Darin ähneln sie Transistoren, die als Speicherelemente in Flash-Speichern dienen. Memristoren sind jedoch viel kleiner: Ihre Dicke beträgt nur wenige Nanometer (siehe Bild). Die kleinsten Flash-Speicherelemente, an denen derzeit gearbeitet wird, messen hingegen noch immer 20 Nanometer.

„Unser Ziel ist, mit Memristoren mindestens die doppelte Kapazität von Flash-Speichern zu erreichen – unabhängig davon, wie groß die in drei Jahren ist“, sagt HP-Forscher Stan Williams, der mit seiner Gruppe 2007 den ersten Memristor realisiert hat. Theoretisch war das Konzept bereits 1971 von Leon Chua beschrieben worden. „Hinsichtlich Geschwindigkeit, Leistung und Haltbarkeit schlagen wir die Flash-Technologie auf jeden Fall“, fügt Williams hinzu. „Wir wollen sie aber auch bei der Speicherdichte überbieten.“

Die Herstellung von Memristoren ist nicht sehr aufwändig. Zuerst bringen die HP-Forscher parallele metallische Nanodrähte, etwa aus Platin, auf einem Untergrund auf. Die werden mit einer Schicht aus Titandioxid bedeckt, auf die eine zweite Lage aus Nanodrähten folgt – aber im rechten Winkel zur ersten Lage ausgerichtet. Die Titandioxid-Schichten an den Kreuzungspunkte bilden dann die Memristoren, die sich über die Drähte gezielt elektrisch ansteuern lassen.

Die ersten Memristor-Speicher sollen 2013 stolze 20 Gigabyte pro Quadratzentimeter fassen – doppelt so viel, wie die Roadmap für die Flash-Technologie in dem Jahr vorsieht. Als Fachbezeichung für Memristor-Speicher hat HP „ReRAM“ etabliert – für „Resistive Random Access Memory“, also ein RAM-Speicher, der über den elektrischen Widerstand funktioniert.

Flash-Speicher haben zwar eine erstaunliche Erfolgsgeschichte hinter sich. Aber wie alle Silizium-basierten Technologien stoßen sie allmählich an die Grenze der Miniaturisierung, die durch physikalische Auflösungsgrenzen in der Photolithographie gegeben ist. Zudem lässt ihre Leistungsfähigkeit nach, wenn sie mehr als 100.000-mal gelesen und beschrieben worden sind. Zum Vergleich: Memristor-Speicher haben in Tests eine Million Schreib-Lese-Zyklen überstanden.

Die Vereinbarung zwischen Hewlett-Packard und Hynix sieht vor, dass HP das Patent am Memristor-Konzept behält, Hynix dafür die ReRAMs auch an andere Kunden verkaufen kann. Man wolle erreichen, dass die Industrie die neue Speichertechnologie bald übernimmt, sagt Williams. „Der wirtschaftliche Vorteil für HP liegt darin, dass sie die ‚First Mover’ sind“, urteilt Jim McGregor, leitender Technologie-Analyst bei InStat.

Bis ReRAMs Flash-Speicher ersetzen, dürften aber noch einige Jahre ins Land gehen und mehrere Milliarden Dollar investiert werden, schätzt McGregor, zumal die Halbleiterindustrie auch andere Speicher-Alternativen entwickelt. Dazu gehören ferroelektrische Materialien oder solche, die in unterschiedlichen kristallinen Zuständen ihren Widerstand ändern (so genannte „Phase-Change RAM“). Die Erfahrung zeige auch, dass auf dem Weg zur kommerziellen Fertigung immer Stolpersteine lauern, so McGregor. Deshalb geht er nicht davon aus, dass HP und Hynix ihren Zeitplan einhalten können und schon 2013 marktreife ReRAMs produzieren.

Williams sieht hingegen keine größeren Probleme auf dem Weg dorthin. Hewlett-Packard habe im vergangenen Jahr mit einem Halbleiterproduzenten verschiedene Prototypen getestet. Die Materialien und die Verfahren, mit denen Memristoren hergestellt werden, seien in den bestehenden Halbleiterfabriken einsetzbar.

Dan Olds, Berater bei der Gabriel Consulting Group aus Oregon, hält große Stücke auf die neue Technologie. „Nach oben sind dem Erfolg keine Grenzen gesetzt, wenn die Memristoren das halten, was sie versprechen“, sagt Olds. Die Frage sei eher, wie schnell die Preise für ReRAMs fallen. „Jede neue Technologie ist Glückssache. Aber wenn sie schon aus dem Stadium der Grundlagenforschung heraus ist, kann man durchaus darauf setzen.“ (nbo)