HP/3Par: Lotto-Millionäre sind dagegen arme Leute
Jemand hat eine Firma, die weniger als 200 Millionen Dollar umsetzt und noch nie einen müden Cent Gewinn gemacht hat. Dann kommt ein anderer daher und kauft sie ihm für 2,4 Milliarden Dollar ab. Wie nennt man so jemanden? Klar, einen Glückspilz. Und wie nennt man den Käufer? HP!
3Par-Speichersystem InServ T400
(Bild:Â 3Par)
Liebe Gründer und Aktionäre des amerikanischen Speicherspezialisten 3Par,
herzlichen Glückwunsch, Sie müssen sich vorkommen wie im Märchen. Vermutlich zwicken Sie sich mehrmals täglich, um sich zu vergewissern, ob Sie wach sind oder dies alles nicht einfach nur ein schöner Traum ist. Aber es ist kein Traum. Es ist wirklich die wunderbare Wahrheit, dass HP Ihre Firma für die sagenhafte Summe von 2,4 Milliarden Dollar kaufen will. 2,4 Milliarden Dollar für eine Firma, die keine 200 Millionen Dollar Umsatz macht und noch nie einen Cent Gewinn erzielt hat. Irre! Damit haben Sie, liebe 3Par-Gründer und -Aktionäre, das ganz große Los gezogen. Ein Lottogewinn ist Peanuts im Vergleich zu der Marge, die Sie erzielt haben.
Dass Hewlett-Packard bereit ist, für ein Objekt der Begierde ganz tief in die Taschen zu greifen, hat das Unternehmen zuletzt vor einigen Wochen gezeigt, als es den maroden Organizer- und Smartphone-Hersteller Palm übernommen hatte. Kolossale 1,2 Milliarden Dollar war HP bereit, für den hoch defizitären und ums Überleben kämpfenden Anbieter von nicht mehr konkurrenzfähigen Produkten zu zahlen. Irgendwie ist das, was HP hier treibt, auch eine Form von Protzerei nach dem Motto "Seht her, was ich mir alles leisten kann!"
Bei der 3Par-Übernahme hatte HP sich eine kleine Bieterschlacht mit dem Konkurrenten Dell geliefert, der zunächst als aussichtsreicherer Kandidat galt. Doch HP wollte den Texanern das Feld partout nicht überlassen und erhöhte mehrmals das Angebot. Zur Freude der 3Par-Aktionäre natürlich. Die Dell-Leute müssen sich aber auch nicht ärgern. Im Gegenteil. Denn wissenschaftliche Untersuchungen in den USA haben gezeigt, dass bei Fusionen und Übernahmen die kaufende Firma von dem Deal den geringsten Nutzen hat, also in diesem Fall HP. Am meisten profitiert die übernommene Firma (3Par), und am zweitmeisten die Konkurrenz (also zum Beispiel Dell). Also wirklich kein Grund für die Dell-Manager und -Aktionäre, mit ihrem Schicksal zu hadern. Sie sollten stattdessen lieber die HP-Kollegen zum Abendessen einladen und sich für den Freundschaftsdienst bedanken.
Die HP-Mitarbeiter schlackern bei den Summen, die ihre Chefs für marode oder kleine Firmen zu zahlen bereit sind, natürlich verwundert mit den Ohren. Ist die Butze das wirklich wert?, werden sie sich fragen. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele von ihnen sich wünschen, dass der Firmenspitze die eigenen Mitarbeiter auch so viel wert wären. Wir haben an dieser Stelle schon mehrmals unserer Meinung Ausdruck verliehen, dass HPs gute finanzielle Entwicklung in den vergangenen Jahren nicht zuletzt darauf basiert, dass die Konzernleitung den Leistungsdruck auf die Mitarbeiter weltweit permanent erhöhte. Auf diese Weise hat sich der vor kurzem geschasste HP-CEO Mark Hurd zwar bei den Investoren ein gutes Image aufgebaut, für große Teile der Belegschaft (inklusive mancher Führungskräfte) aber war er schlichtweg ein großer Sklaventreiber. Aber gut, das ist ein anderes Thema.
Diese Summen, die HP und andere – meistens amerikanische – Firmen für Übernahmen bereit sind zu zahlen, haben weitreichende Folgen. So lesen nicht zuletzt auch Fachhandels- und Systemhausunternehmer in Deutschland Zeitung und Online-Dienste. Auch diese reiben sich verwundert die Augen und fragen sich, was an einer seit Jahren defizitären Firma mit knapp 200 Millionen Dollar so toll sein kann, dass jemand bereit ist, dafür 2,4 Milliarden Dollar zu zahlen. Auf diese Weise entstehen bei einigen von diesen deutschen Unternehmern, die ihre Firma gerne verkaufen möchte, völlig realitätsferne, weil überzogene Vorstellung vom Preis, der sich beim Verkauf ihrer Firma erzielen lässt. Doch die Hoffnung, dass eines Tages irgend jemand anklopft und einen fetten Batzen Geld für die Firma auf den Tisch legt, stirbt ebenso zuletzt wie die Hoffnung des Lottospielers, eines Tages den Jackpot zu knacken. Chance? Eins zu 140 Millionen.
Aber das kann Ihnen, liebe 3Par-Gründer und Aktionäre, so was von egal sein. Sie haben jetzt ihre Schäfchen im Trockenen und ich kenne niemanden, der Ihnen das nicht gönnt ;-)
Beste GrĂĽĂźe
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