Von Eklat überschattet: Grimme Online Award für Mastodon und das Fediverse

Der Kurznachrichtendienst Mastodon aus Deutschland hat stellvertretend für das Fediverse einen Grimme Online Award bekommen. Ein Eklat beschäftigte die Gala.

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Ein Stapel von Mastodon-Logos

(Bild: Marcelo Mollaretti/Shutterstock.com)

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Stellvertretend für das sogenannte Fediverse und die Idee eines dezentralen Netzwerks aus unabhängigen sozialen Medien hat der Kurznachrichtendienst Mastodon einen Grimme Online Award bekommen. Verliehen wurde der Preis in der Kategorie Spezial am Mittwoch auf einer Gala-Veranstaltung in Essen. Nominiert worden war Mastodon, weil es online einen Mangel an Räumen gebe, wo man sich respektvoll austauschen, glaubwürdige Informationen finden und Daten nicht für kommerzielle Zwecke verwertet würden, hieß es von den Verantwortlichen. Nur das Fediverse biete in diesem Bereich noch eine Alternative zu kommerziellen Angeboten aus den USA und China, wofür "Mastodon mit seiner anti-kapitalistischen Plattformlogik" stehe.

Als Fediverse wird ein Verbund aus unterschiedlichen sozialen Netzwerken bezeichnet, die über das Kommunikationsprotokoll ActivityPub verknüpft sind. Mastodon hat sich als bekanntester Teil davon etabliert, das Netz ist aber deutlich größer und umfasst aber viel mehr als die Twitter-Alternative. So gibt es beispielsweise auch Dienste, die wie das frühere Instagram Fotos in den Mittelpunkt stellen (Pixelfed), einen sozialen Austausch wie auf Facebook (Friendica) ermöglichen sollen oder eine Alternative zu Reddit etablieren wollen (Piefed). Zudem gibt es Anbindungen an ganz andere Dienste, etwa die Substack-Alternative Ghost. Die Laudatio beim Grimme Online Award hat die Journalistin Jana Ballweber gehalten, die den freundlichen Umgang auf Mastodon hervorgehoben hat.

Überschattet wurde die Preisverleihung weiterhin von dem Eklat um die Aberkennung einer Ehrung für die Schülerin und Aktivistin Judith Scheytt. Die war vorher von dem vom Grimme-Institut unabhängigen Förderverein "Verein der Freunde des Adolf-Grimme-Preises" beim Donepp Media Award mit dem Preis für Medienkritik geehrt worden. Als Kritik und Antisemitismus-Vorwürfe gegen Scheytt laut wurden, hatte der Verein die Auszeichnung wieder zurückgenommen, obwohl Teile der Jury dem widersprachen. Das sorgte für heftige Proteste, die sich auch gegen das Grimme-Institut selbst richteten. Mit den Regisseuren Moritz Riesewieck und Hans Block haben nun zwei Preisträger des Grimme Online Awards ihre Auszeichnungen nicht angenommen.

"Wir hoffen auf eine reflektierte Aufarbeitung, damit wir weiter an diesen Preis glauben können. Solange wir das nicht können, stellen wir diesen Preis hier hin und hoffen, uns vielleicht irgendwann wiederzusehen und uns irgendwann wieder richtig zu freuen", sagte Riesewick und stellte den Preis auf das Rednerpult. Dann verließen beide die Bühne. Ein Grimme-Mitarbeiter nahm den Preis daraufhin an sich. Die Institutschefin Çiğdem Uzunoğlu hatte den Konflikt zu Beginn des Festaktes selbst angesprochen. Die Entscheidung des Vereins zur Aberkennung sei "formal betrachtet ein Fehler", sagte sie. Das Institut habe auf den Vorgang keinerlei Einfluss genommen. Sie wolle jetzt eine offene Debatte zu dem Thema führen, versprach sie.

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Unter den weiteren ausgezeichneten Online-Angeboten befassen sich mehrere mit Themen rund um Gesundheit, Lifestyle und Ernährung. Den Preis erhielten etwa der Instagram-Kanal "Little Monsters" (WDR) zum Trend-Thema mentale Gesundheit. Ausgezeichnet wurde auch der TikTok-Kanal "Know & Grow" (SWR für funk). Mit aufwendig produzierten Videos würden Fitness- und Gesundheitsmythen entlarvt. Das Angebot erreiche eine Zielgruppe, an die klassische Medien kaum noch herankommen, teilte die Jury mit. Der Publikumspreis ging an das "Zentrum für Politische Schönheit" und dessen Aktion "AfD-Verbot". Alle Preisträger finden sich bei dem Institut.

Hinweis: c't-Redakteur Keywan Tonekaboni war 2025 Mitglied der Jury der Grimme Online Awards.

(mho)