EU-Richter erklären staatliches Glücksspielmonopol in Deutschland für nichtig

Zwar sei gegen staatliche Glücksspielmonopole auch im Bereich Internet prinzipiell nichts einzuwenden, heißt es beim EuGH in Luxemburg, die deutsche Regelung sei aber in sich widersprüchlich. Das Argument, durch das Wettmonopol werde "das Entstehen von Glücksspielsucht" in Deutschland unterbunden, wollten die Richter nicht gelten lassen. Im Gegenteil.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat das Monopol des Staates auf Durchführung von Sportwetten und Lotterien in Deutschland am Mittwoch mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Als Begründung geben die EU-Richter an, dass der Anfang 2008 in Kraft getretene Glücksspielstaatsvertrag, der unter anderem die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet verbietet, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit darstelle. Das Argument, durch das Wettmonopol werde "das Entstehen von Glücksspielsucht" in Deutschland unterbunden, wollten die Richter nicht gelten lassen.

Im Gegenteil: Die Richter werfen den deutschen Behörden vor, eine Politik zu dulden oder gar selbst zu betreiben, die zur Teilnahme an Glücksspielen mit einem höheren Suchtpotenzial ermuntere, als dies bei den vom Monopol erfassten Spiele der Fall sei. Speziell sprechen die Richter hier Kasino- und Automatenspiele an. Außerdem, so der Gerichtshof, führten die Inhaber der staatlichen Monopole intensive Werbekampagnen durch, um ihre Gewinne aus den Lotterien zu maximieren. Damit entfernten sie sich von den Zielen, die das Bestehen eines solchen Monopols rechtfertigen.

Prinzipiell sei gegen staatliche Glücksspielmonopole nichts einzuwenden, wenn damit die Spiellust und der Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen gelenkt werde, heißt es weiter. Dies gelte auch für Angebote im Internet. Maßnahmen, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, müssten aber "zu ihrer Verwirklichung geeignet sein und dürfen nur solche Beschränkungen vorsehen, die dafür erforderlich sind". Die deutsche Regelung hingegen begrenze Glücksspiele nicht in "kohärenter und systematischer Weise" und stehe damit im Widerspruch zu Unionsrecht (PDF-Datei).

Hintergrund der EuGH-Entscheidung sind mehrere Fälle, die deutsche Gerichte dem Europäischen Gerichtshof im Rahmen von Vorabentscheidungsersuchen zur Klärung vorgelegt hatten. Darunter sind Klagen privater Wettbüro-Betreiber aus verschiedenen Bundesländern, denen Behörden unter Verweis auf das Monopolrecht verboten hatten, Wetten aus anderen EU-Staaten zu vermitteln. Einem anderen Unternehmen mit Sitz in Gibraltar wurde untersagt, Wetten über das Internet in Deutschland anzubieten. Die Gerichte müssen diese Fälle jetzt in Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs bewerten. Auch andere Gerichte in Deutschland, die sich mit ähnlichen Verfahren befassen, sind an die EuGH-Entscheidung gebunden.

Der IT-Branchenverband Bitkom begrüßte die Entscheidung der Luxemburger Richter. "Gerade im Internet ist ein Verbot privater Anbieter nicht länger haltbar", erklärte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. "Jetzt gibt es eine Chance, klare Regeln für einen freien Glücksspielmarkt in Deutschland festzulegen – inklusive der nötigen Bedingungen zur Gefahrenprävention." Nach Angaben des Verbandes beteiligen sich rund zwei Millionen Menschen in Deutschland an Online-Glücksspielen und -Wetten, darunter 1,7 Millionen Männer und 0,3 Millionen Frauen. Der Wettanbieter bwin appellierte bereits an die Politik, jetzt schnell Alternativen zum bestehenden Glücksspielrecht auszuarbeiten. (pmz)