Erfinderische Software patentieren

Auf dem Patentrechtsforum der World Intellectual Property Organisation (WIPO) in Genf diskutierten Experten am heutigen Freitag über Vor- und Nachteile von Softwarepatenten.

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Von
  • Monika Ermert

Was patentierbar ist, sollte nicht auf der Basis entschieden werden, ob ein bestimmter Bereich generell patentierfähig ist oder nicht. Vielmehr solle die Erfindungshöhe entscheidend sein. Das empfahl Jonathan Zuck, Präsident der Association of Competitive Technology beim Patentrechtsforum der World Intellectual Property Organisation (WIPO) heute in Genf. "Wir sollten nicht darüber diskutieren, ob etwas Software ist oder nicht, sondern ob es eine Erfindung ist oder nur ein Schritt zur Weiterentwicklung", sagte Zuck. Auf diese Weise erspare man sich fruchtlose Debatten über die Frage, was Software ist und was nicht.

Mit Blick auf die abgeschmetterte Softwarepatent-Richtlinie in Europa sagte Zuck, nichts sei weiter von der Wahrheit entfernt als die Darstellung, dass das Parlament gegen Softwarepatente entschieden habe. Vielmehr habe es ein Patt zwischen denen gegeben, die für eine Absicherung des bestehenden Standards waren und denen, "die eine Chance zur Einschränkung des Patentschutzes hätten nutzen wollen". Der für Microsoft in der Softwarepatentdebatte aktive Lobbyist, der gleich dreimal bei verschiedenen Veranstaltungen auf dem Podium der WIPO-Veranstaltung sitzt und nach eigenen Angaben mittelständische Unternehmen repräsentiert, sprach von mehreren "Mythen" in der Softwaredebatte. So würden sich in dem Streit um Softwarepatente nicht kleine und große Unternehmen gegenüberstehen.

"Kleine Unternehmen lieben Patente. Meine Organisation vertritt 4000 solcher Unternehmen", sagte Zuck. Die eigentliche Auseinandersetzung gebe es zwischen den "Innovatoren" und den "Produzenten". Erstere seien auf die Patente angewiesen, um Risikokapital zu bekommen, sie lebten von den Lizenzgebühren und nicht von Stundensätzen und sie bräuchten die Patente auch, um eine Verhandlungsposition gegenüber den Großen zu haben. Als Beispiel nannte Zuck Apple und Microsoft, die für die Musikindustrie DRM-Systeme zur Verfügung stellen. Patente gäben einem Entwickler die Möglichkeit, Microsoft eine Technologie anzubieten ohne sie gleich abgeben zu müssen. Anstatt auf der Nicht-Patentierbarkeit von nicht greifbaren Gütern (also auch Software) zu beharren, sollte die Hürde die Qualität der Anmeldung sein. "Wenn wir alle Patentanmeldungen für den Bereich 'Brot' verhindern, schließen wir das Erdnussbutter-Brot aus, aber eben auch neue Möglichkeiten, Brot haltbar zu machen", argumentierte Zuck.

Sowohl der Amsterdamer Juraprofessor Jules Theeuwes als auch Rishab Aiyer Ghosh von der United Nations University/Maastricht Economic and social Research and training centre on Innovation and Technology (Merit) verwiesen auf den fehlenden Nachweis, dass Softwarepatente eine positive Wirkung hinsichtlich Innovation und Wirtschaftswachstum haben. "Der Nachteil der Patentierung, der in der Einräumung eines zeitweiligen Monopols besteht, ist klar", sagte Ghosh. "Für die entsprechenden Vorteile fehlt bislang der Nachweis."

Ghosh arbeitet an einer von der EU in Auftrag gegebenen Studie zu den wirtschaftlichen Effekten von Softwarepatenten mit, wie sie bereits vom Europäischen Patentamt vergeben werden. Erste statistische Ergebnisse zeigten eine hohe Konzentration von Patenten in der Hand großer Unternehmen. "Die zehn größten Inhaber von Softwarepatenten halten 57 Prozent der vergebenen Patente. Nur etwa sieben Prozent der Patente kommen von individuellen Forschern an Universitäten", erläuterte Ghosh. Andere Teilstudien hätten gezeigt, dass Patente die Offenlegung neuer Technologien in vielen Fällen verzögern, sodass auch der Vorteil einer raschen Verfügbarkeit nicht ohne weiteres gegeben sei.

Um eine mögliche Behinderung der Standardisierung grundlegender Protokolle durch Patente zu verhindern, habe man sich beim WorldWideWeb Konsortium 2004 strikte Regeln auferlegt, berichtete Rigo Wenning, Jurist beim W3C in Genf. Unternehmen müssen demnach Patente zu Beginn des Standardisierungsprozesses offenlegen und praktisch ohne Ausnahme auf spätere Lizenzgebühren verzichten. Grundsätzlich halte sich das W3C aus der Softwarepatentdebatte heraus. Die Patentregeln hätten allerdings durchaus zu einem Umdenken bei manchen Unternehmen geführt, sagte Wenning.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente in Europa und die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Monika Ermert) / (pmz)