Alvaro wirft Brüssel Rechtsbruch bei der Vorratsdatenspeicherung vor

Alexander Alvaro, innenpolitischer Sprecher der FDP im EU-Parlament, hat die EU-Kommission des Bruchs der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung bezichtigt, da sie die Frist zur Vorlage eines Evaluierungsberichts nicht eingehalten habe. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström hat unterdessen durchblicken lassen, dass zumindest eine Revision der Richtlinie erforderlich sein könnte.

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Alexander Alvaro, innenpolitischer Sprecher der FDP im EU-Parlament, hat die EU-Kommission des Bruchs der heftig umkämpften Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung bezichtigt. Gemäß der 2006 ergangenen Direktive sei die Brüsseler Behörde verpflichtet gewesen, bis zum gestrigen Mittwoch einen Evaluierungsbericht vorzulegen, moniert der Liberale. Die Kommission hat die Frist aber verstreichen lassen und peilt nun nach Informationen aus Brüsseler Kreisen die Veröffentlichung ihres Reports nach mehreren Terminverschiebungen für Dezember an. Damit werde eine Debatte über die notwendige Revision der Richtlinie "unnötig hinausgezögert", klagt Alvaro. Das Parlament werde diese "Hinhaltetaktik" nicht akzeptieren.

Dem FDP-Politiker zufolge beruft sich die Kommission zur Begründung der Verschiebung des Berichts auf "fehlende Daten aus den Mitgliedsstaaten". Es mangele an Statistiken, die einen Erfolg der verdachtsunabhängigen Protokollierung von Nutzerspuren bei der Kriminalitätsbekämpfung belegten, heißt es dazu in Brüssel. Alvaro wittert dahinter das Kalkül, dass ohne Daten keine Überprüfung der Richtlinie und damit auch keine Überarbeitung der Speicherverpflichtungen erfolgen könne. Sollten die Nationalstaaten diesen Ansatz tatsächlich verfolgen, müsse die Kommission die Evaluation aber eben "anhand der ihr vorliegenden Daten vornehmen". Es gebe schließlich "eklatante Probleme bei der Umsetzung" der Vorgaben. Selten habe eine Richtlinie die selbstgesteckten Ziele "so spektakulär verfehlt wie diese". Von einer EU-weiten Harmonisierung der Rechtslage könne nicht die Rede sein.

In Artikel 14 der Direktive heißt es, dass die Kommission dem Parlament und dem EU-Rat spätestens am 15. September 2010 eine Bewertung über die Anwendung der Gesetzesbestimmungen sowie über ihre Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeteiligten und die Verbraucher an die Hand zu geben habe. Damit sollen diese feststellen können, ob insbesondere die Liste der erfassten Verbindungs- und Standortdaten sowie die Speicherfristen gegebenenfalls geändert werden müssen. Die Ergebnisse seien öffentlich zu machen, Kommentare der Mitgliedsstaaten und von Datenschützern einzubeziehen.

EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström hat unterdessen in einer heise online vorliegenden Antwort auf eine parlamentarische Anfrage erstmals durchblicken lassen, dass zumindest eine Revision der Richtlinie erforderlich sein könnte. "Erste Anzeichen", die sich aus der noch laufenden Bewertung bereits ergeben hätten, "weisen darauf hin, dass die Kommission möglicherweise einen Änderungsvorschlag in Betracht zieht", heißt es in dem Schreiben. Jede einzelne Rechtsvorschrift werde einer Folgenabschätzung unterzogen, die nach der Veröffentlichung des Evaluierungsberichts beginnen könne. Im Zuge dieser Bewertung berücksichtige die Kommission die Ergebnisse des kürzlich verabschiedeten Reports der Artikel-29-Datenschutzgruppe, die eine gemeinsame Untersuchung über den Schutz personenbezogener Informationen bei der Vorratsdatenspeicherung durchgeführt habe.

Unter Verweis auf eine vor der Präsentation des Richtlinienentwurfs durchgeführte Folgenabschätzung erinnert Malmström daran, dass der Vorschlag damals "dem EU-Recht und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union" entsprach. Die Direktive selbst sichere "die volle Wahrung der Grundrechte der Bürger auf Achtung des Privatlebens und ihrer Kommunikation sowie auf Schutz personenbezogener Daten" zu. Es sei nun aber festzustellen, ob die Bewertung vom Jahr 2005 angesichts der mittlerweile gesammelten Erfahrungen immer noch gelte. Im Einzelnen werde etwa geprüft, ob die Richtlinie noch in einem angemessenen Verhältnis "zu ihrem Nutzen für die Rechtsdurchsetzung sowie ihren Kosten für die Wirtschaft und ihren Auswirkungen auf die Grundrechte steht".

Hierzulande geht unterdessen der Koalitionsstreit über ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nach dem Stopp des alten rechtlichen Rahmenwerks durch das Bundesverfassungsgericht weiter. Ehe die Evaluierung der EU nicht abgeschlossen sei, "besteht keine Veranlassung, sich mit dem Thema überhaupt auseinanderzusetzen", sagte der FDP-Rechtsexperte im Bundestag, Christian Ahrendt, der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er reagierte damit auf Kritik aus der CDU/CSU-Fraktion, die Liberalen blockierten eine Neuregelung. Ahrendt bezweifelte, dass Strafverfolgern ohne die von Karlsruhe zunächst gekippte Vorratsspeicherung die Hände gebunden seien. Wenn Ermittler verstärkt im Internet präsent seien, ließen sich die Spuren der Kriminellen unmittelbar in Echtzeit sichern. Ein nachträglicher Zugriff auf gesammelte Daten sei dann unnötig: "Es hakt also bei der personellen Ausstattung, nicht in der Gesetzgebung." (jk)