Treibstoff aus Abgasen

Eine neuseeländische Firma nutzt Mikroorganismen, um aus Kohlenmonoxid Ethanol zu machen.

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  • Kevin Bullis

Eine neuseeländische Firma nutzt Mikroorganismen, um aus Kohlenmonoxid Ethanol zu machen.

Giftiges Kohlenmonoxid, das von Stahlwerken und anderen Industrieanlagen in die Luft gepustet wird, lässt sich mit einigen chemisch-biologischen Tricks in nützliche Rohstoffe umformen. Ein Unternehmen aus Neuseeland treibt diese Idee nun auf die Spitze und will aus Abgasen ohne Umwege den Biotreibstoff Ethanol herstellen.

LanzaTech setzt dabei auf genetisch veränderte Mikroorganismen, die sich hauptsächlich von Kohlenmonoxid ernähren. Ungewöhnlich ist die Verwendung von Hefen oder Bakterien zur Ethanol-Herstellung zwar schon seit einigen Jahren nicht mehr, doch ernähren sich diese üblicherweise von Zucker, etwa der Glucose aus Maisstärke. LanzaTech nutzt solche Nahrungsquellen nicht, sondern gibt seinen Mikroorganismen reines Kohlenmonoxid. "Sie ernähren sich quasi aus dem Rauchgasstrom", erläutert Firmenchefin Jennifer Holmgren.

LanzaTech hat bereits Verträge zur Herstellung kommerzieller Anlagen in China geschlossen, wo die Technik in Stahlwerken und Kohlekraftwerken integriert werden soll. Holmgren glaubt, dass die Kohlenmonoxid-Emissionen, die in der weltweiten Stahlerzeugung anfallen, zusammengenommen rund 115 Milliarden Liter Treibstoff im Jahr erzeugen könnten. Das entspricht immerhin 15 Prozent des gesamten Benzinverbrauchs der USA.

Die von LanzaTech entwickelten Mikroorganismen können auch eine Mischung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoffgas verarbeiten – Syngas, das sich aus nahezu allen Ausgangsstoffen erzeugen lässt, die vor allem aus Wasserstoff und Kohlenstoff bestehen, von Kunststoffen über Holzchips bis hin zu Kohle. Normalerweise wird Syngas über thermochemische Prozesse in andere Produkte verwandelt, die eine anorganische Katalyse beinhalten. Bei dieser fallen allerdings unerwünschte Nebenprodukte an, die entsorgt werden müssen.

Das erklärt einen weiteren Vorteil der eigens entwickelten Mikroorganismen, wie sie LanzaTech einsetzen will: Sie können potenziell deutlich höhere Erträge aus einem gewählten Ausgangsstoff erzeugen. Andy Aden, Forscher am US-Nationallabor für erneuerbare Energien in Golden, Colorado, glaubt an die Technik. Mikroorganismen und ihre "Nahrung" seien außerdem preisgünstiger als Katalyse-System, die aus Edelmetallen bestehen. Zudem tolerierten die Biomaschinen auch Unreinheiten besser.

Der LanzaTech-Prozess hat den zusätzlichen Vorteil, dass er grundsätzlich keinen Wasserstoff benötigt. So kann er direkt mit Abgasen von Stahlwerken arbeiten, in denen dieser normalerweise nicht enthalten ist. Kommt Wasserstoff trotzdem vor, kann dieser entweder auch den Organismen als Nahrung dienen oder abgeschieden und verkauft werden – als zunehmend wertvoller Rohstoff.

Allerdings verrät LanzaTech bislang nicht das größte Geheimnis des neuen Prozesses: welche Mikroben das Kohlenmonoxid konkret umwandeln. Nur soviel räumt Holmgren ein: Sie seien "eine Variante von Organismen, die auf natürliche Weise aus Kohlenmonoxid Ethanol machen können". LanzaTech veränderte diese allerdings stark, damit die Umwandlung "in kommerziell interessanter Menge" erfolgt.

Das Unternehmen hat außerdem einen weiteren Mikroorganismus in Arbeit, der 2,3-Butandiol aus Kohlenmonoxid erzeugen kann – ein chemischer Vorläuferstoff für zahlreiche Produkte, etwa für MEK-Lösungsmittel, die in der Herstellung von Kunststoffen und Textilien Verwendung finden. Aus der Chemikalie lassen sich außerdem Butan und Butadien machen, aus denen eine Reihe von Kunststoffen und Kohlenwasserstoff-basierte Treibstoffe hergestellt werden können.

Nur wenige andere Firmen nutzen einen ähnlich radikalen Ansatz wie LanzaTech. Dazu gehören Ineos Bio und Coskata aus dem US-Bundesstaat Illinois. Beide verwenden Bakterien, um Treibstoffe oder Chemikalien aus einer Kombination aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff zu machen. LanzaTech will vor allem mit Stahlwerken zusammenarbeiten, weil dort Abgase entstehen, die einen großen Kohlenmonoxid-Anteil enthalten. In einer Demonstrationsanlage wurde bereits eine praktische Ethanolproduktion gezeigt – das Pilotsystem kann über 50.000 Liter Treibstoff im Jahr produzieren.

In diesem Sommer hat LanzaTech nun eine Absichtserklärung mit dem großen chinesischen Stahlproduzenten Baosteel unterzeichnet. Die Firmen wollen 2011 zusammen eine Demonstrationsanlage bauen, in der rund 380.000 Liter Ethanol pro Jahr produziert werden können. Ausgehend davon soll dann eine Großfabrik entstehen, die bis zu 190 Millionen Liter im Jahr erzeugt. Weitere Abkommen existieren mit Henan Coal und der Chemical Industries Corporation, um Treibstoff und Chemikalien in Kraftwerken mit Kohlevergasung zu erzeugen.

Seit seiner Gründung im Jahr 2005 konnte LanzaTech bereits 30 Millionen Dollar an Risikokapital sowie 10 Millionen Dollar an Fördermitteln der neuseeländischen Regierung einsammeln. Firmenchefin Holmgren betont, dass die Herstellungskosten der Firma für Ethanol "durchaus konkurrenzfähig" seien. "Wir sind kurz davor, Ethanol ohne jede Subvention herzustellen." Da der Chemie-Markt kleiner sei als der Treibstoff-Markt, könne dieser zudem noch profitabler werden. MEK sei beispielsweise doppelt so teuer wie Ethanol.

US-Experte Aden sieht allerdings noch einige Probleme auf LanzaTech zukommen, insbesondere bei der Skalierung der Technik. So muss sichergestellt sein, dass den Mikroorganismen auch in großen Reaktoren das Gas stets in korrekter Dosierung bereitsteht. Das sei eine ganz andere Herausforderung als bei kleinen Testanlagen. (bsc)