Die Tücken der Telekom-Auslandsexpansion

Mit milliardenschweren Zukäufen eroberte die Telekom neue Märkte in Europa und Übersee. Doch die Fallstricke der Auslandsexpansion zeigen sich später, wie jetzt in Ost- und Südeuropa. Das Zusammenführen der Firmenkulturen dauert oft viele Jahre.

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Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

Manfred Balz ist bei der Telekom in diesen Tagen ein gefragter Mann. "Wir müssen aus den Vorgängen lernen und dem Balkan größere Aufmerksamkeit schenken", sagt das Vorstandsmitglied über jene Unregelmäßigkeiten bei Konzerngesellschaften der Telekom in Osteuropa, die jetzt Vorstandschef René Obermann in Bedrängnis gebracht haben. Balz soll dafür sorgen, dass sich alle Beschäftigten des Konzerns an Rechtsvorschriften und Regeln halten. Der Datenschutzvorstand ist nämlich auch Compliance Manager. Ob Schnüffeleien oder Schmiergeldzahlungen – nichts davon passt ins Bild eines Unternehmens, das in der Öffentlichkeit vor allem eines will: glaubwürdig sein.

Jede Auslandsexpansion bedeutet da eine besondere Herausforderung. Die Telekom will keine neuen Geschäftsfelder in Regionen von Grund auf neu entwickeln, sondern bestehende erweitern – und das heißt in erster Linie akquirieren. "Wir übernehmen damit nicht nur Strukturen, sondern auch Kulturen", heißt es in dem Unternehmen. Es folgt ein längerer Prozess der Integration, der hier schneller, dort langsamer läuft. Bei der Übernahme der britischen Mobilfunkfirma One2One im Jahr 1999 beispielsweise, die später T-Mobile hieß und inzwischen in einem gemeinsamen Unternehmen mit der französischen Orange geführt wird, liefen die Dinge vermutlich reibungsloser als bei Telekom-Firmen in Ost- und Südeuropa.

Gerade in diesen Regionen aber hat sich die Telekom festgesetzt: Von Polen und Tschechien über die Slowakei bis nach Ungarn, Rumänien, Bulgarien sowie Mazedonien, Montenegro, Kroatien und Griechenland. In allen diesen Ländern engagieren sich die Bonner mit Mobilfunk- und/oder Festnetztöchtern. Nur in Russland wurde vor einigen Jahren eine Beteiligung abgestoßen, weil – so die offizielle Version – eine Mehrheitsposition nicht erreichbar war. Die Erlöse gingen in die Ablösung von Schulden, die sich durch Übernahmen stark erhöht hatten.

Korruption hin, Misswirtschaft her – in den Ländern stand für die Telekom zunächst die Markteroberung im Vordergrund. Schließlich drohten die großen Konkurrenten, den Bonnern auf lukrativen Auslandsmärkten das Wasser abzugraben.

Mitte 2010 hatte die Telekom insgesamt 48 Millionen Mobilfunkkunden und gut 11 Millionen Festnetzanschlüsse in den Ländern Ost- und Südeuropas. Bis zum Jahresende dürften weitere hinzugekommen. Der Umsatz lag Ende Juni bei 6,0 Milliarden Euro und das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) bei 2,2 Milliarden Euro. Hier hatte vor allem der Einstieg der Telekom bei der griechischen OTE 2008 zu einen Umsatzsprung geführt.

Dass es nun in Mazedonien und Montenegro zu Korruptionsfällen gekommen sein soll – mit dem Ziel, die Marktöffnung zu bremsen –, kommt für Beobachter nicht überraschend. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat zwar die Marktwirtschaft in den Ländern Ost- und Mitteleuropas Einzug gehalten, doch Korruption und Misswirtschaft blieben. In einem Monitorbericht der Europäischen Union vor zwei Jahren wurde Bulgarien als das korrupteste Land der EU bezeichnet. Als besonders anfällig werden in den Berichten immer wieder die öffentlichen Verwaltungen genannt.

Die Zusammenhänge müssten auch der Telekom bekannt sein, und Balz räumt das auch ein. Aber der Konzernvorstand könne nicht für Fehltritte Einzelner bei Tochter- oder Enkelunternehmen zur Verantwortung gezogen werden. Das gilt wohl auch für den jüngsten Neuerwerb der Telekom, der griechischen OTE. So wurde der amtierende OTE-Chef Panagiotis Vourloumis im Zusammenhang mit der Schmiergeldaffäre bei Siemens wegen Untreue unlängst angeklagt. (anw)