Größtes Biometrieprojekt der Welt startet in Indien

In Indien hat der Rollout von Erfassungsgeräten für ein staatliches ID-Projekt begonnen, in dessen Rahmen biometrische Datensätze von mindestens 600 Millionen Bürgern gespeichert werden sollen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 32 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

In Indien hat der Rollout der Erfassungsgeräte für ein großes Biometrie-Projekt begonnen. Ab Oktober starten Registrare in zwei indischen Bundesstaaten damit, ID-Nummern zu vergeben, die später alle Inder erhalten sollen. Die Installation der nötigen Iris- und Fingerabdruck-Scanner soll bis zum 31. Dezember 2011 abgeschlossen sein. Ziel des Projekts ist es, in vier bis fünf Jahren mindestens die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung mit einer ID-Nummer zu versorgen, zu der die Speicherung von biometrischen Daten in einer zentralen Datenbank gehört. Mit 600 Millionen Datensätzen gilt das Vorhaben als größte Sammlung biometrischer Daten weltweit. Allein mit der ID-Erfassung sollen mehr als 10.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Ein UIDAI-Mitarbeiter demonstriert das Iris-Scanning

(Bild: UIDAI)

Für das Aadhar (hilfreich) genannt Projekt wurde eigens eine Regierungsbehörde geschaffen, die Unique Identification Authority of India, kurz UIDAI. Ihr erklärtes Anliegen ist es, das Projekt so zu gestalten, dass auch die Ärmsten im Land diskriminierungsfrei eine ID-Nummer bekommen können, um beispielsweise mit ihr einen Mikrokredit bei einer Bank via Telefon beantragen zu können. Kritiker des Projekts nennen es Niraadhar (grundlos) und weisen vor allem auf die Gefahr hin, dass über die ID-Nummer bisher getrennte Datenbanken zusammengeführt werden könnten. Außerdem sei das mindestens 6 Milliarden US-Dollar teure Projekt einem Land nicht angemessen, in dem hygienische wie medizinische Mindeststandards fehlten.

Nach einer Hochrechnung der Times of India könnte das Projekt sogar über 30 Milliarden Dollar kosten, wenn Smartcards mit der ID-Nummer ausgegeben werden. Von diesem Plan ist man inzwischen aber offenbar abgerückt, ebenso wie von einem Gesetz, das Inder zur Registrierung verpflichtet – die ID-Nummer wird freiwillig sein. Für die Nummer werden Name, Geburtsdatum, Geburtsort, Geschlecht, Wohnort sowie gegebenenfalls Name und ID-Nummern der Eltern gespeichert. Zusätzlich wird ein Digitalfoto gespeichert und mindestens ein biometrischer Datensatz mit Fingerabdrücken aller 10 Finger oder einem Iris-Scan beider Augen angelegt. Angaben zur Religions- oder Kastenzugehörigkeit sind explizit verboten.

Die ID ist kostenlos und soll lebenslang gültig bleiben, die biometrischen Informationen sollen alle fünf Jahre überprüft werden. 220 zertifizierte Registrare (Behörden wie Firmen) sind mit der Aufnahme der Daten betraut, außerdem wird ein Netz von lokalen Gewährsleuten errichtet. Sie müssen bei Analphabeten oder Obdachlosen die Identität einer Person bezeugen. Die Abfrage der ID-Nummer erfolgt nach dem Ja/Nein-Prinzip, wobei die Frage nach ID-Nummer und Name sowie einem weiteren Parameter wie dem Geburtsdatum kostenlos ist. Für die Abfrage der Adresse sollen umgerechnet rund 10 Cent berechnet werden, für eine biometrische Überprüfung etwa zur Eröffnung eines Bankkontos circa 30 Cent.

Der gestartete Rollout der Computer und Erfassungeräte ist ein lukratives Geschäft für die indische ITK-Branche. Vor allem die Mobilfunkbranche dürfte von der Forderung der UIDAI profitieren, wonach in jedem Dorf künftig mindestens ein Telefon mit einer angeschlossenen Biometrieeinheit stehen soll. Bisher haben allerdings nur zwei Firmen die technische Zulassung ihrer Fingerabdruck- und Iris-Scanner erhalten, L-1 Identity Solutions und die Jenaer Firma Crossmatch Technologies. (pmz)