Gerichtsurteil verunsichert Webdesigner

Nach einem Urteil des OLG Hamm verstößt die Übernahme von Grafiken und Stylesheets nicht gegen Urheber- und Wettbewerbsrecht.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 653 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Joerg Heidrich

Nach einem Urteil des OLG Hamm vom 24. August 2004 (Az. 5 U 51/04) verstößt die Übernahme von Grafiken und Stylesheets auf die Website eines Konkurrenten nicht gegen Urheber- und Wettbewerbsrecht.

Die Klägerin hatte eine Website online gestellt, die unter anderem drei Computergrafiken enthielt, die sie nach eigenen Angaben mit großem Aufwand bearbeitet und erstellt hatte. Insgesamt habe sie für die Erstellung der Grafiken und der Website einen Betrag von 15.000 Euro aufwenden müssen. Diese drei Bilder sowie die Stylesheets der Seite, also Schrift- und Farbkombinationen, fand die Klägerin auf der Website des Beklagten wieder, zu dem sie in einem Wettbewerbsverhältnis steht. Die daraufhin eingereichte Unterlassungsklage wurde in erster Instanz vom Landgericht Bochum als unbegründet abgewiesen. Dieser Entscheidung folgten nun überraschend auch die Richter des Oberlandesgerichts Hamm.

Laut Urteil stellt die Übernahme von Bestandteilen der Website der Klägerin durch einen Mitbewerber keinen Verstoß gegen Urheber- und Wettbewerbsrecht dar. Nach Ansicht der Richter handelt es sich bei den übernommenen Bildern nicht um Werke der bildenden Kunst, die einen Schutz nach § 2 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) beanspruchen könnten. Vielmehr fehle es ihnen an der dafür notwendigen "Schöpfungshöhe", da nicht ersichtlich sei, dass für die verwendeten Effekte eine "Kunstfertigkeit vorgelegen habe, die nicht jedem gegeben sei". Auch ein Lichtbildschutz nach § 72 UrhG bestehe für die Computergrafiken nicht. Diese Vorschrift schütze nur die "persönliche Leistung des Lichtbildners". Eine Computergrafik sei dagegen nur das Ergebnis eines Programms, welches das Bild hervorbringe, "ohne eigenes selbständiges Zutun dessen, der den Computer bedient". Dagegen sei es beim Lichtbildner nicht damit getan, nur auf den Bildauslöser zu drücken. Aus diesem Grund ergebe sich ein rechtlicher Schutz für digitale Grafiken nur in Ausnahmefällen, so die Richter aus Hamm.

Einen Urheberrechtsschutz für die gesamte Website wollte das Gericht ebenfalls nicht annehmen. Ohnehin habe der Beklagte mit den Grafiken und den Stylesheets nur Teile der Seite übernommen, die nicht schutzfähig seien und die die Seite noch nicht zu einem Kunstwerk im Sinne des UrhG machten. Aus gleichem Grund verneint das OLG auch einen Unterlassungsanspruch aus Wettbewerbsrecht (UWG). Da nämlich die Klägerin für ihre Werke keinen Urheberrechtsschutz beanspruchen könne, sei eine "Nachahmung" der Bilder und Farb-Schrift-Kombinationen auch unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten zulässig. An zusätzlichen Umständen, die eine Unlauterkeit der Übernahme begründen könnten, fehle es nach Ansicht des Gerichts.

Professor Nikolaus Forgó vom Institut für Rechtsinformatik der Universität Hannover kritisierte gegenüber heise online das Urteil: Zwar lasse sich ohne Kenntnis des konkreten Falls keine Aussage über die Schutzfähigkeit der einzelnen Elemente treffen. Problematischer sei nach Ansicht von Forgó aber insbesondere die Verneinung der Anwendbarkeit von § 72 UrhG. Dieser schütze nämlich "Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden", unabhängig davon, ob Schöpfungshöhe erreicht wurde. Das Gericht ignoriere die Frage, ob eine Grafik, die aus einem Lichtbild hergestellt wird, "ähnlich" wie das Lichtbild selbst erstellt wurde, vollständig. Möglicherweise sei diese Versäumnis auf technisches Unverständnis des Gerichts hinsichtlich der Funktion von Grafikprogrammen zurückzuführen.

Zwar stellt das Urteil des OLG Hamm sicher keinen Freibrief für die Übernahme fremder Inhalte im Web oder gar die "Legalisierung von Website-Klau" dar. Für große Unsicherheit unter Designern und Website-Betreibern dürfte die Entscheidung der Richter aber sicherlich sorgen. (Joerg Heidrich) / (jk)