Prozess wegen Online-Blockade der Lufthansa wird nicht eingestellt

Mit einer "Online-Demonstration" sollte die Website der Lufthansa während der Aktionärshauptversammlung 2001 "zeitweise" unzugänglich gemacht werden. Die Staatsanwaltschaft klagte daher unter anderem wegen Nötigung an.

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Im Prozess um die spektakuläre Online-Blockade gegen Lufthansa forderte die Verteidigung am heutigen ersten Prozesstag die Einstellung des Verfahrens. Dies aber lehnte die Richterin ab; sie hält offensichtlich eine Strafbarkeit der Aktion für möglich. Im Prinzip handele es sich hierbei um Gewalt gegen Sachen, hatte die Richterin bei Festsetzung des Prozesstermins erklärt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Andreas-Thomas Vogel unter anderem Nötigung nach Paragraph 240 des Strafgesetzbuches (StGB) vor.

Gegenstand des Prozesses ist eine Aktion der Gruppe "deportation.class" des Aktionsbündnisses "Kein Mensch ist illegal", "Libertad!" und weiterer Gruppen aus aller Welt. Als "Online-Demonstration" oder "virtuelles Sit-in" sollte die Website der Lufthansa während der Aktionärshauptversammlung "zeitweise" unzugänglich gemacht werden. Mit der Aktion wollte man gegen die Abschiebung von Flüchtlingen durch die Lufthansa protestieren. Aber über die aktuelle Aktion hinaus ging es auch darum, ob bürgerliche Freiheiten wie Versammlungen oder Demonstrationen, die das Grundgesetz gewährt, auch in den Cyberspace übertragbar sind.

Dies sei der erste Prozess, in dem von staatlicher Seite versucht werde, massenhafte Proteste im Internet abzuurteilen und damit eine Handhabe gegen zukünftige Online-Aktivitäten zu haben, hatte der Angeklagte Andreas-Thomas Vogel erklärt, als der Prozesstermin vor kurzem festgesetzt wurde. Die Frage, ob das Recht auf Versammlungsfreiheit und damit insbesondere auf Demonstrationen aller Art auch im virtuellen Raum gilt, ist in den vergangenen Jahren ausgiebig diskutiert worden. Die Verteidigung argumentierte nun für die Einstellung des Verfahrens, dass keine Gewalt angewandt worden sei, da es sich um einen virtuellen Raum handle. Daher könne auch keine Verurteilung nach Paragraph 240 oder 111 StGB (öffentliche Aufforderung zu Straftaten) erfolgen. Außerdem gebe es keine Regelungen zu Versammlungen im Internet, nach Artikel 103 des Grundgesetzes könne aber niemand für eine Tat bestraft werden, die zum Zeitpunkt ihrer Begehung gar nicht strafbar war. Die Staatsanwaltschaft sprach dagegen von einer Drohung mit großem Schaden, die für die Lufthansa mit der Aktion verbunden gewesen sei.

Die Beweisaufnahme, in die das Gericht nach Ablehnung des Einstellungsantrags der Verteidigung einstieg, drehte sich zuerst um den Schaden, den der Lufthansa durch die Aktion entstanden war. Erfolgreich im Sinne der Protestierenden war die durch ein Programm zum automatischen Aufrufen der Website geplante Blockierung wohl nicht gewesen. "Wir haben verstärkt Zugriffe registriert", erklärte Lufthansa- Unternehmenssprecher Thomas Ellerbeck damals. In den ersten Minuten der DoS-Attacke habe sich der Aufbau ihrer Site "verlangsamt". Schnell hätten jedoch die Techniker "die Kapazität der Leitungen erhöhnt". Ellerbecks Kollege Martin Riecken sprach allerdings davon, in den ersten zehn Minuten sei es nicht möglich gewesen, die Homepage aufzurufen. Nach Aussagen der Zeugin von der Lufthansa am heutigen ersten Prozesstag war zwar die Webseite einige Minuten nicht erreichbar, es sei aber bei den Lufthansapartnern beispielsweise jederzeit möglich gewesen, Tickets der Airline zu bestellen. Insgesamt habe es durch Nicht-Erreichbarkeit der Lufthansa-Server aber Buchungsausfälle gegeben; den Mehraufwand bezifferte die Lufthansa-Zeugin auf 42.370,80 Euro.

Der Prozess soll am 1. Juli mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt werden. Zudem stehen noch diverse Beweisanträge im Raum, etwa die Ladung von Bundesinnenminister Otto Schily zur Abschiebpraxis und der Rolle der Lufthansa. Immerhin, so die Verteidigung, seien in Europa acht Menschen bei Abschiebung gestorben, zwei davon bei Abschiebung mit Lufthansa-Flügen. Mehr als 10.000 Abschiebungen im Jahr gebe es mittels Lufthansa-Flügen. Auch die Vernehmung eines Beamten des Ordnungsamts Köln ist beantragt -- immerhin wollten die Organisatoren die Online-Demonstration anmelden, erhielten aber den Bescheid, eine virtuelle Demo sei nicht vorgesehen. (Volker Weber) / (jk)