SPD-Politiker: Zypries muss bei Vorratsdatenspeicherung zurückrudern

Jörg Tauss, medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sieht in den Überlegungen der Justizministerin eine Gefährdung der gesamten Telekommunikationsbranche und einen tiefen Einschnitt in die Bürgerrechte.

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Jörg Tauss, der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, sieht in den Überlegungen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten eine Gefährdung der gesamten TK-Branche in Deutschland und Europa. Er warnt zudem vor einem tiefen und folgenreichen Einschnitt in die Bürgerrechte. Dieser solle womöglich noch auf Kosten des Steuerzahlers erfolgen, empört sich Tauss. Er bezieht sich damit auf die Gedankenspiele des Justizministeriums, der Wirtschaft die heftig umstrittene Maßnahme durch staatliche Entschädigungszahlungen schmackhaft zu machen. "Zypries muss in dieser Frage zurückrudern", fordert der SPD-Datenschutzexperte seine Parteikollegin unmissverständlich auf. Ansonsten werden sie mit ihrer Befürwortung einer Pauschalüberwachung der Nutzer genauso scheitern, "wie sie bereits im SPD-Fraktionsvorstand mit den Plänen für eine Neugestaltung des großen Lauschangriffs gescheitert ist." Die "sinnlose Anlage von Datenbergen" werde es weder mit der SPD-Bundestagsfraktion noch mit der rot-grünen Koalition geben.

Hintergrund des mit scharfen Worten ausgetragenen innerparteilichen Streits ist das momentan in Brüssel diskutierte Vorhaben, sämtliche etwa beim Telefonieren, Simsen, Surfen, E-Mailen-Chatten oder Filesharing anfallenden TK-Daten ein bis drei Jahre lang zu speichern. Eine entsprechende Anregung des EU-Rates haben die Länder Frankreich, Irland, Großbritannien und Schweden mit einer eigenen Initiative im Rahmen des Ministerrates aufgegriffen. Das Vorhaben stößt allerdings auf heftigen Widerstand in Kreisen der Wirtschaft, bei Organisationen der Zivilgesellschaft und Datenschützern. Die Grünen haben sich auf ihrem Parteitag Anfang Oktober eindeutig gegen eine Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen.

Die Reaktion Tauss' auf das "Ja" mit Vorbehalten zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Justizministerium, das aus einer Antwort der Hausherrin auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervorgeht, zeigt die große Enttäuschung in Teilen der Sozialdemokraten über die Haltung Zypries' in bürgerrechtlichen Belangen. So hält Tauss seiner Kollegin in Anbetracht ihrer vorherigen Karriere im Bundesinnenministerium vor: "Die Justizministerin muss sich endlich über eines klar werden: Sie ist nicht mehr Otto Schilys weisungsgebundene beamtete Staatssekretärin, sondern als Ministerin die Hüterin der Verfassung und der Bürgerrechte." In der Sache rechnet Tauss Zypries zudem weiter vor: "Die Speicherwut der deutschen Behörden entspräche bei einer sechsmonatigen Speicherzeit einem Volumen von 20 Millionen Leitz-Ordnern an gesammelten Daten. Dass eine solche Sinnlosigkeit noch nicht einmal von der US-Regierung in Erwägung gezogen wird, zeigt den im Justizministerium diskutierten Unfug in seiner gesamten Dimension."

Das EU-Vorhaben wird auch der Hauptstreitpunkt auf einer Datenschutztagung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung am heutigen Montagnachmittag in Berlin sein. (Stefan Krempl) / (jk)