Kritik an Plänen des Justizministeriums zur Vorratsdatenspeicherung

Auf einer Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung lehnte Wirtschaftsvertreter und Datenschützer die Pläne des Justizministeriums zur pauschalen Überwachung der Telekommunikationsnutzer entschieden ab.

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Die Wirtschaft und Datenschützer lehnen die Unterstützung des Bundesjustizministeriums für Pläne zur pauschalen Überwachung der Telekommunikationsnutzer entschieden ab. Dies zeigte sich am Montag auf einer Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung (PDF) in Berlin. Das Angebot von Justizministerin Brigitte Zypries an TK-Unternehmen und Provider, gegebenenfalls eine "angemessene Entschädigung" für die im Raum stehende jahrelange Verpflichtung zum Vorhalten sämtlicher bei der Abwicklung der Telekommunikation anfallender Daten einzuführen, fand keine Freunde.

"Es sind die Kosten und der Vertrauensverlust, der sich auf die TK-Anbieter wirtschaftlich auswirkt", nannte Volker Kitz vom Branchenverband Bitkom als Gründe für das weitere Nein der Wirtschaft zur Vorratsdatenspeicherung. Diese "schadet nur, nutzt keinem". Das Argument der Strafverfolger, die heftig umstrittene Maßnahme diene der Terrorismusbekämpfung, ließ er nicht gelten: "Der internationale Terrorismus investiert 20 Cent, um an die Telefonzelle zu gehen, und hebelt damit die Vorkehrungen aus."

Die Erfordernis für eine pauschale TK-Datenspeicherung stellte auch Claus Ulmer, Konzernbeauftragter für Datenschutz der Deutschen Telekom, in Frage. Wie er zu berichten wusste, erfolgen die meisten Anfragen der Ermittler nach Verbindungsdaten in der EU nach drei Monaten. "Der Anlass für die Ausforschung sind konkrete Verbrechen", erläuterte Ulmer. "Da macht es nur Sinn, in unmittelbarem Zusammenhang damit nachzuforschen. Drei Jahre alte Daten haben wenig damit zu tun." Zwischen zwölf und 36 Monate sollen einer Initiative der Länder Frankreich, Irland, Großbritannien und Schweden im Rahmen des Ministerrates zufolge aber die Nutzerinformationen gelagert werden. Ulmer stellte unisono mit Felix Müller von der British Telecom Germany klar, dass selbst große TK-Konzerne bislang weder die organisatorischen, noch die technischen Vorkehrungen zum Speichern dieser Datenmenge hätten. Allein die Anlaufkosten für die Archivierung der Verbindungsangaben bei der Sprachtelefonie schätzt Ulmer auf einen "dreistelligen Millionenbetrag".

Damit ist es bei weitem nicht getan. "Viele Länder erkennen gar nicht, dass sie bei dem Vorhaben das Internet mit einbeziehen", warf Hannah Seiffert vom Verband der deutschen Internetwirtschaft eco in die Diskussion ein. Die Dimensionen seien eine "völlig andere" als bei der klassischen Telefonie. Sie kritisierte ferner die Schwammigkeit, mit der die Wünsche der Ermittler in Brüssel vorgetragen werden: "Wir haben bis heute keine Antwort bekommen, über welche Daten wir eigentlich reden. Die politische Ebene möchte sich hierzu nicht äußern."

Aus dem Anforderungskatalog im EU-Rat geht allerdings hervor, dass die Hüter der inneren Sicherheit Zugriff auf möglichst alle anfallenden TK-Daten wollen. Dabei komme es in der Konvergenzwelt der digitalen Telekommunikation zu einer äußerst problematischen Vermischung von "rein technischen" Verkehrsdaten und den Inhalten der Interaktion, waren sich die Experten einig. "Wenn ich weiß, jemand hat sich eine Website angeschaut, und weiß, was darauf war, dann kenne ich auch den Inhalt der Kommunikation", brachte Kitz ein Beispiel. "Der Nutzer fühlt sich sehr breit überwacht, hat das Gefühl, dass ein Bewegungs- und Lebensprofil von ihm angelegt wird", führte er aus. Sein Verband stelle sich daher "klar hinter die Datenschützer".

Der brandenburgische Datenschutzbeauftragte Alexander Dix wies darauf hin, dass bei SMS-Botschaften aufgrund ihrer Versandart über die Signalisierungsnetze im Mobilfunk zwangsweise auch die Inhalte mit erfasst würden. Ähnlich verhalte es sich bei der Internet-Telefonie. Dix erinnerte Zypries daran, dass gemäß des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts "schon in jeder Erhebung von Daten ein Eingriff in Grundrechte liegt". Ein solcher müsse klar begründet und verhältnismäßig sein, was bei der diskutierten "routinemäßigen Vorratsdatenspeicherung" nicht der Fall sei.

Auch der gute Vorsatz der Zweckbindung der Daten lässt sich laut Dix nicht verwirklichen. Er verwies auf eine nach dem 11. September 2001 eingeführte Regelung im Steuerrecht, die eine zentrale Abfrage von Kundenbestandsdaten durch das Bundesamt für Finanzen zulasse, um die Finanzströme des Terrorismus auszutrocknen. Nun solle vom 1. Mai 2005 an jede Behörde, die in ihrer Gesetzesanwendung an allgemeine Begriffe des Einkommensteuerrechts wie etwa "Wohnung" oder "Einkommen" anknüpft, mittelbar diese Abfragemöglichkeiten nutzen dürfen. Für Dix gilt es angesichts dieser "Politikwäsche", "von vornherein die Schaffung solcher Datenbestände abzulehnen".

Als Ausweg führten alle Beteiligten die Methode des "Quick Freeze" an, bei dem die TK-Firmen auf Zuruf der Beamten bestimmte Daten speichern und die Ermittler eine richterliche Bestätigung der Maßnahme nachreichen müssen. Dieses Konzept wird auch von der Cybercrime-Konvention des Europarats vorgeschlagen, nachdem Proteste von Datenschützern deutlich weiter gehende Bestimmungen in dem Abkommen verhindert hatten. Doch auch zwei Jahre nach der Verabschiedung des Vertrags hat noch kein westeuropäischer oder amerikanischer Staat die Bestimmungen ratifiziert -- obwohl die Strafverfolger es damit zunächst sehr eilig hatten. (Stefan Krempl) / (anw)