SAP bereitet Umwandlung in Europa-AG vor
Die Änderung des Rechtsstatus hätte Auswirkungen auf den Streit um die Bildung eines Betriebsrates in dem Software-Unternehmen.
SAP-Chef Henning Kagermann forciert wegen des aktuellen Streits um die Gründung eines Betriebsrates bei SAP Pläne, den Konzern in eine europäische Aktiengesellschaft umzuwandeln. "Wir bereiten die Entscheidungsfindung vor", sagte Kagermann der Wirtschaftswoche (Montagsausgabe). Die SAP-Gründer Dietmar Hopp, Hasso Plattner und Klaus Tschira unterstützen die Pläne, schreibt das Magazin weiter.
Die Europa AG würde nicht nur steuerliche Vorteile bieten. Sie erlaubte es auch auf relativ unbürokratische Weise, den SAP-Unternehmenssitz von Deutschland ins europäische Ausland zu verlegen. Über die Europa AG ließe sich auch die Mitbestimmung einschränken, heißt es in dem Bericht weiter.
SAP könnte auch das angelsächsische Modell wählen, schreibt die Wirtschaftswoche. Vorstand und Aufsichtsrat würden dann durch ein einziges Gremium ersetzt (Verwaltungsrat oder Board). Selbst bei Beibehaltung des Aufsichtsrats würde die Macht der deutschen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat geschwächt, da in einer europäischen Aktiengesellschaft auch Mitarbeitervertreter ausländischer Standorte in das Gremium einziehen.
Aufsichtsratsvorsitzender Plattner hat nach einem Bericht des Spiegel in einer internen E-Mail den Beschäftigten geschrieben, er könne "die Motivation der Gewerkschaften nicht richtig nachvollziehen". Er verstehe nicht, warum laut Gesetz eine neunprozentige Minderheit den anderen die Bedingungen diktieren könne. Laut Spiegel will der Konzern nun einen eigenen Wahlvorstand für die Betriebsratswahlen vorschlagen, der höchstwahrscheinlich aus Arbeitnehmervertretern des Aufsichtsrates bestehe und nicht aus jenen Kollegen, die mit Unterstützung der IG Metall den Streit vom Zaun gebrochen hätten. Das Unternehmen käme damit dem Arbeitsgericht Mannheim zuvor, dass den Wahlvorstand zwangsweise einsetzen könnte.
Die IG Metall warnte indessen vor einer gesetzwidrigen Diskriminierung von Beschäftigten. "Fakt ist, dass 500 Mitarbeiter bei SAP einen Betriebsrat haben wollen. Dieser Wunsch nach sozialen Schutzrechten kann nicht durch eine Mehrheitsentscheidung unterdrückt werden", sagte der Mitbestimmungsexperte im Bundesvorstand der Gewerkschaft, Thomas Klebe, der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.
Zuvor hatten sich rund 91 Prozent der Belegschaft in der SAP-Zentrale Walldorf auf einer Betriebsversammlung gegen einen Betriebsrat ausgesprochen. "Die Mehrheit kann nicht beschließen, dass es zum Beispiel keinen Kündigungsschutz gibt", kritisierte Klebe. Nach Angaben des Juristen wäre ein Betriebsrat nicht nur in Krisenzeiten enorm wichtig, sondern generell bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Auch die Arbeitnehmervertretung im SAP-Aufsichtsrat könne einen Betriebsrat nicht ersetzen.
"Wird irgendwann einmal eine Abteilung stillgelegt, kann es einen Interessenausgleich und einen Sozialplan nur mit einem Betriebsrat geben." Die freiwilligen Regelungen, die SAP mit den Arbeitnehmern abgeschlossen habe, seien im Ernstfall wenig wert. "Die Vereinbarungen entsprechen nicht dem Betriebsverfassungsgesetz und sind schwache Schönwetterregelungen", sagte Klebe.
SAP-Chef Henning Kagermann hatte am Donnerstag angekĂĽndigt, in dem Streit alle juristischen Mittel zu prĂĽfen. Er sei verwundert darĂĽber, dass drei Mitarbeiter gegen die Mehrheit in der Belegschaft die GrĂĽndung eines Betriebsrats gerichtlich durchboxen wollten. "Bisher dachte ich immer, dass in einer Demokratie eine Minderheit die Meinung der Mehrheit akzeptiert", sagte Kagermann.
Die IG Metall kritisierte nun diese Äußerungen. "Folgt man Herrn Kagermann, kann man gleich auch die Kommunalwahlen abschaffen. Dort entscheidet häufig auch eine Minderheit der Wahlberechtigten über den Wahlausgang", sagte Klebe. Die Gewerkschaft erwarte von Arbeitgebern, dass sie gesetzliche Regelungen auch dann respektierten, wenn diese Minderheiten schützten. "In diesem Sinne sollte die Auseinandersetzung bei SAP versachlicht werden." Rechtlich völlig unstrittig sei, dass ein Arbeitsgericht einen Wahlvorstand einsetzen könne.
Es gebe eine Fülle entsprechender Gerichtsentscheidungen, auch des Bundesarbeitsgerichtes. Die drei gewerkschaftlich organisierten SAP-Beschäftigten haben nach Paragraf 17 des Betriebsverfassungsgesetzes beim Arbeitsgericht Mannheim den Antrag auf Einsetzung eines Wahlvorstandes gestellt. "Niemand außer einigen Arbeitgeberjuristen kommt auf die Idee, das sei verfassungswidrig", sagte Klebe. Das Gericht will bis Mitte April entscheiden. Sollte SAP jedoch durch alle Instanzen gehen, könnte ein Rechtsstreit Jahre dauern. (dpa) / (tig)