Studie: Kinderpornographie im Netz kein großes Geschäft

Ein Fortschrittsbericht der "European Financial Coalition" gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern kommt zu dem Ergebnis, dass vom viel beschworenen "Massenmarkt" für Kinderpornographie im Internet keine Rede sein kann.

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Ein Fortschrittsbericht der "European Financial Coalition" (EFC) gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Netz kommt zu dem Ergebnis, dass vom viel beschworenen "Massenmarkt" für Kinderpornographie im Internet keine Rede sein kann. In den vergangenen 14 Monaten sei die Zahl der identifizierten aktiven Webseiten, die kommerziell Bilder von sexuellem Kindesmissbrauch vertreiben, "deutlich gesunken", heißt es in der jetzt veröffentlichten Studie (PDF-Datei) der von der EU-Kommission geförderten Vereinigung, zu der sich 2009 mehrere Internetkonzerne, Zahlungsanbieter, internationale Polizeibehörden und zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen haben. Die noch ausgemachten gewerblichen Vertriebsseiten hätten "generell keinen hohen Profit" abgeworfen. Vor allem im Vergleich zu anderen Bereichen der Internetkriminalität seien die tatsächlichen Einnahmen als "recht niedrig" zu bezeichnen.

Die EFC, die beim "Child Exploitation and Online Protection"-Center (CEOP) der britischen Polizei angesiedelt ist, hat in den 15 Monaten ihres Bestehens Statistiken einschlägiger Organisationen ausgewertet und eigene Forschungen unternommen. Demnach hat etwa die "US Financial Coalition Against Child Pornography" eine fünfzigprozentige Abnahme kommerzieller Missbrauchsseiten im vergangenen Jahr gemeldet. Das Projekt "Flagging and Co-ordination System" (FACS) habe in den ersten sieben Monaten 2010 gar einen Rückgang um 78 Prozent im Vergleich zu den letzten fünf Monaten 2009 festgestellt.

Eine Forschungsfirma habe zudem aus internen Verzeichnissen etwa von Hotlines eine Datenbank mit 14.500 Einträgen über vermeintliche Funde von Kinderpornographie im Netz erstellt. Davon seien Anfang August aber nur noch 0,3 Prozent online gewesen, die einschlägiges Material enthielten. Vier der zehn Seiten, die tatsächlich Missbrauchsbilder von Kindern im Alter zwischen einem und 16 Jahren zeigten, seien kommerziell ausgerichtet gewesen. Insgesamt könne man davon ausgehen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt immer nur "eine Handvoll" einschlägiger Angebote verfügbar sei. Die offensichtliche Dezimierung gewerblicher Kinderporno-Seiten führt die Finanzkoalition unter anderem auf Gratis-Alternativen, unterschiedliche Definitionsmerkmale verschiedener Organisationen, die mögliche Entwicklung neuer Verbreitungstechnologien sowie groß angelegte Strafverfolgungsaktionen und die dadurch generierte Medienaufmerksamkeit zurück.

Zu den Schlüsselergebnissen der 40-seitigen Studie gehört weiter, dass die Betreiber kommerzieller Webangebote für Missbrauchsbilder diese zwar vertreiben, aber offenbar nicht selber produzieren. Vielmehr würden sie sich etwa aus kostenlosen Newsgroups oder anderen Kanälen bedienen. Generell seien die meisten Aufnahmen schon ein paar Jahre im Netz und würden immer wieder "recycled". Bei den Vertriebsleuten handle es sich nicht unbedingt um Angehörige organisierter Banden, wie sie im Bereich der Kinderpornographie vor allem in Osteuropa aktiv seien. Häufig stoße man auf individuelle Akteure, bei denen es nicht immer klar sei, ob sie auch ein persönliches sexuelles Interesse an Kindern hätten.

Die EFC hält ferner fest, dass es "eine Reihe von Zugangspunkten" für Missbrauchsbilder im Internet gebe und Rechtsverletzter die aktuellsten verfügbaren Technologien nutzten und damit versiert umgingen, um sich der Strafverfolgung zu entziehen. Produzenten setzten in der Regel auf "kleine, abgesicherte Gebiete im Internet", um Aufnahmen kostenlos auszutauschen. Dazu zählten etwa "private Gruppen in sozialen Netzwerken". Der Zugang werde streng kontrolliert und sei nicht einfach über die Eingabe eines Domainnamens gegeben. Das Einstellen von Bildern erfolge vor allem aus "Prestigegründen". Wer hier mitmache, habe oft bereits schon selbst Kinder missbraucht oder Dritte dazu aufgefordert, heißt es in dem Bericht. Der Polizei gelinge es aber mit der Zeit immer wieder, die Verantwortlichen auszumachen und solche Ringe zu sprengen.

Die Untersuchung empfiehlt unter anderem weitere Analysen zu den Motiven der Bezieher beziehungsweise Käufer von Kinderpornos im Netz, den Aufbau zentraler Datenbanken über Fundorte sowie eine verstärkte Kooperation zwischen Beschwerdestellen und Polizeibehörden wie Europol. Sie dürfte auch Gegenstand der Anhörung im Innenausschuss des EU-Parlaments zum Vorstoß der EU-Kommission zur besseren Bekämpfung von Kinderpornographie sein, die am Dienstag und Mittwoch in Brüssel stattfindet. Die Datenschutzorganisation Privacy International rief die Abgeordneten im Vorfeld dazu auf, sich gegen die mit der Initiative verknüpften Websperren auszusprechen. Diese könnten rasch zu Missbrauch führen und stünden im Widerspruch zu anderen Brüsseler Zielen wie der Förderung datenschutzstärkender Techniken. Der Verein MissbrauchsOpfer Gegen InternetSperren (MOGiS) bemängelte, dass die nationale Perspektive Deutschlands von Sperrbefürwortern wie dem Verein "Innocence in Danger" und dem Bundeskriminalamt repräsentiert werde. Auch bei den internationalen Vertretern der Zivilgesellschaft sehe es kaum anders aus. (pmz)