Kassenärzte warnen: Zehntausende Praxen müssen wohl bald zurück zum Papierrezept
Der langsame Umstieg auf ECC-Verschlüsselung zwingt viele Praxen womöglich zurück zu Papier. Kassenärzte warnen die Bundesnetzagentur vor gravierenden Folgen.
(Bild: fizkes/Shutterstock.com)
Wenige Wochen vor der Umstellung des Verschlüsselungsverfahrens RSA auf Elliptic Curve Cryptography (ECC) im Gesundheitswesen schlägt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Alarm und wendet sich in einem heise online vorliegenden Brief an die Bundesnetzagentur (BNetzA). Zuerst berichtete der Ärztenachrichtendienst.
Ende des Jahres sollen die RSA-Schlüssel mit einer Länge von 2048 Bit nicht mehr zum Einsatz kommen, da sie laut BNetzA ihre Eignung verlieren. Die KBV warnt jedoch davor, dass zahlreiche Praxen die Telematikinfrastruktur (TI) – der "Datenautobahn des Gesundheitswesens" – dann nicht mehr aktiv nutzen können. Es sind nach Angaben der Gematik noch über 50.000 elektronische Heilberufsausweise (eHBA) für Ärzte und Apotheker nicht ausgetauscht, geht aus dem Schreiben hervor. Aber auch Praxisausweise (SMC‑B), Kartenterminals und Konnektoren müssen laut Gematik noch getauscht werden: "Eine Laufzeitverlängerung der betroffenen Konnektoren ist aufgrund der Umstellung auf den Verschlüsselungsalgorithmus ECC zum Jahresende 2025 nicht möglich".
Trotz laufender Produktion bei den Anbietern – etwa Medisign, wo inzwischen im 6‑Tage‑Betrieb Karten der Generation 2.1 gefertigt werden – könne der vollständige Austausch bis Jahresende nicht abgeschlossen werden, heißt es von der KBV. In dem Schreiben an BNetzA‑Chef Klaus Müller bittet der KBV‑Vorstand um eine Fristverlängerung: Die RSA‑basierten eHBA müssten übergangsweise weiter für die qualifizierte elektronische Signatur (QES) zugelassen bleiben. Andernfalls könnten "zehntausende Praxen" ab Januar keine E‑Rezepte, eAUs oder elektronischen Arztbriefe mehr erstellen.
"Gravierende Folgen für Patienten"
Nicht nur die elektronische Patientenakte (ePA) wäre betroffen, weil E‑Rezept‑Daten in die Medikationslisten der ePA einfließen, sondern vor allem E-Rezepte und elektronische Arztbriefe. Ärzte müssen dann auf analoge Verfahren umstellen. "Ein solcher Ausschluss tausender Praxen (und Apotheken) von den inzwischen etablierten digitalen Versorgungsprozessen hätte also gravierende Folgen nicht nur für die Praxen, sondern auch für die Patientinnen und Patienten, die auf eine funktionierende digitale Versorgung angewiesen sind. Schlimmstenfalls würde das Ganze dazu führen, dass die entsprechenden Prozesse großflächig wieder auf – von den Krankenkassen finanziertes – Papier umgestellt werden müssen", schreibt die KBV.
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Laut KBV zeichnen sich bei einzelnen Anbietern Produktions‑ und Antragsprobleme ab, besonders bei einem Anbieter. "Die Firma medisign GmbH stellt nach einer internen technischen Umstellung derzeit (Stand 28.10.2025) noch keine vollumfängliche funktionierende Schnittstelle bereit, die benötigt wird, damit die Landesärztekammern bestätigen können, dass Sie Ärztin/Arzt sind", schreibt die Bundesärztekammer (BÄK).
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Nur, wenn sich die Antragsdaten nicht geändert haben, würden die Anträge zum Sondertausch abgearbeitet. "Wenn sich in den Jahren seit der Beantragung Ihres jetzigen eHBA wichtige Daten geändert haben, z. B. Name oder Wechsel der zuständigen Ärztekammer" sei jedoch eine Bestätigung der jeweiligen Ärztekammer erforderlich. In diesen Fällen könne nicht auf vorbefüllte Folgeanträge über Mitgliederportale der Ärztekammern oder bereits gestellte Anträge zurückgegriffen werden. "Vor diesem Hintergrund müssen Sie entscheiden, ob Sie auf die Herstellung der vollständigen Funktionstüchtigkeit warten oder ggfs. einen Wechsel zu einem anderen Anbieter vornehmen wollen", gibt die BÄK zu Bedenken.
Laut Bundesärztekammer sind aber auch D-Trust-Kunden betroffen. Sie rät zum schnellen Austausch: "Bitte reagieren Sie hierauf schnellstmöglich und starten den Prozess zum Sondertausch!". Das BSI und die Bundesnetzagentur hatten das Auslaufen von RSA 2048 für qualifizierte Signaturen bereits angekündigt. Bisher hält die Gematik am Fahrplan fest und verweist auf Vorgaben der Sicherheitsbehörden.
Weiternutzung von Komponenten ohne ECC
Die KBV fordert nun eine verbindliche Zusicherung, dass die "RSA only"‑eHBAs mindestens bis Mitte 2026 rechtssicher genutzt werden dürfen. Nur so lasse sich ein Rückfall zu papierbasierten Verfahren vermeiden. Etwa in Frankreich sei die Verwendung von RSA-2048-Schlüsseln für elektronische Signaturen noch bis 2030 erlaubt, worauf die KBV bereits Mitte 2025 hingewiesen hatte. Auch andere Komponenten wie Praxisausweise und gerätespezifische Security Module Card des Kartenterminals (gSMC-KT-Karten) sollen laut Gematik noch über Januar 2026 hinaus genutzt werden dürfen.
Zitat der Gematik ergänzt.
(mack)