Ehemaliger Wikileaks-Sprecher erläutert Ausstieg

In einem Interview mit Netzpolitik erklärt Daniel Domscheit-Berg seine Motive für den Ausstieg bei der Whistleblower-Plattform Wikileaks. Der Aktivist ist nun selbst zum Whistleblower geworden und kritisiert strukturelle Defizite der Plattform.

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Von
  • Detlef Borchers

Der ehemalige Wikileaks-Sprecher Daniel Domscheit-Berg hat in einem Podcast mit Netzpolitik die Motive für seinen Entschluss erläutert, die Arbeit am Wikileaks-Projekt einzustellen. Im Interview übt er deutliche Kritik an den Strukturen von Wikileaks, die das Projekt an seine Grenzen getrieben hätten und insgesamt für die Zukunft von Wikileaks gefährlich seien. Unterdessen gab sich Julian Assange bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach einer längeren Periode des Schweigens in London einem Bericht der Zeit zufolge äußerst zugeknöpft. Keine Kommentare zu Interna – ungeachtet dessen, was bereits von der internen Diskussion veröffentlicht wurde.

Daniel Domscheit-Berg nennt dagegen zwar auch keine Interna, weist aber auf die Dinge hin, die bei Wikileaks fehlen. In erster Linie sei dies eine besser ausdifferenzierte Struktur, mit wachsender Bekanntheit auch den Ansturm an Anfragen, Beiträgen und Geheimdokumenten umfassend zu meistern. Nach Domscheit-Berg mussten etwa 800 Angebote von Programmieren zur Mitarbeit an Wikileaks unbearbeitet liegen bleiben, weil sich niemand darum kümmerte, dieses Feedback aufzunehmen. Anstelle langsam und organisch zu wachsen habe sich Wikileaks dazu entschlossen, mit möglichst spektakulären Coups die Öffentlichkeit zu suchen. Diesen Weg wolle er nicht mitgehen.

Domscheit-Berg zeigte sich überrascht, wie gut die interessierte Netzöffentlichkeit seine Entscheidung zum Ausstieg nachvollziehen konnte. Bei aller Intransparenz des Projektes habe er überwiegend Verständnis für die Sorgen und Nöte von Wikileaks erfahren. Überrascht wurde Domscheit-Berg auch von den Auswirkungen, die die Bekanntgabe seines Realnamens hatte. Verschwörungstheorien bis an den Rand zu üblen Pöbeleien waren die Folgen. "Ich erlebe das erste Mal, wie es einem Whistleblower gehen muss, was er da durchmacht, wenn er sich entschließt, Interna auszuplaudern. Mir ist es jetzt plastisch sehr bewusst, unter welchem Druck solche Leute stehen."

Wie es in Zukunft für ihn weitergehen wird, ließ Domscheit-Berg im Gespräch mit Netzpolitik offen. Der Aktivist, der im November 2007 zum damals noch sehr jungen Projekt stieß und ab Januar 2009 in Vollzeit unentgeltlich für Wikileaks arbeitete, ist erst einmal damit beschäftigt, eine saubere Übergabe von Ressourcen und seinen Arbeitsmitteln sicherzustellen, die dem Projekt gehören. Ähnliches würden auch die Programmierer betreiben, die das Projekt derzeit verlassen. Dies erkläre, warum Wikileaks derzeit nicht erreichbar sei. (vbr)