Easyjet unterliegt in Screen-Scraping-Rechtsstreit

Die britische Billigfluggesellschaft Easyjet hatte vor dem Landgericht Hamburg geltend gemacht, dem Darmstädter Unternehmen InteRes müsse der Vertrieb einer Software untersagt werden, mit der sich Fluginformationen automatisch aus Webseiten von Airlines extrahieren lassen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die britische Billigfluggesellschaft Easyjet hat im Streit mit dem Darmstädter Softwareanbieter InteRes um die Nutzung sogenannter Screen-Scraping-Techniken bei der Flugvermittlung eine klare Niederlage erlitten. Easyjet machte vor dem Landgericht Hamburg geltend, InteRes müsse der Vertrieb der Flugbuchungssoftware "Mercado" untersagt werden, weil diese unter anderem die Rechte des Unternehmens als Datenbankhersteller verletze.

Mit der von zahlreichen Reisebüros genutzten Mercado-Software lassen sich die Internetseiten diverser Reiseanbieter nach verfügbaren Flügen durchsuchen. Der Zugriff auf die Daten erfolgt dabei nicht über eine lizenzierte (und in der Regel kostenpflichtige) API, sondern die Software extrahiert relevante Informationen wie Abflugzeit, Flugnummer und Preis gezielt per Screen Scraping ("Herauskratzen") aus den öffentlich abrufbaren Websites der Unternehmen.

Easyjet forderte von InteRes außerdem die Erstattung "erheblicher Einnahmeverluste", weil Nutzer der Mercado-Software potenzielle Kunden nicht auf Begleitdienstleistungen des Flugunternehmens wie Autovermietungen, Hotelbuchungen oder Versicherungen aufmerksam machen würden. Darüber hinaus lägen ein unlauterer Schleichbezug von Flugtickets sowie ein Verstoß gegen das "virtuelle Hausrecht" von Easyjet vor.

Doch Easyjet verlor auf ganzer Linie: Laut Urteil vom 1. Oktober (Az.: 308 O 162/09), das heise online vorliegt, stehen dem Unternehmen "die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu". Datensätze einzelner Flugverbindungen stellten "keine wesentlichen Teile der Datenbank" dar, befanden die Hamburger Richter, weshalb von einer widerrechtlichen Vervielfältigung und Verbreitung "wesentlicher Teile" des Easyjet-Datenbestandes nicht die Rede sein könne.

Darüber hinaus, so das Gericht, handele es sich nicht um eine "systematische" Abfrage von Teilen des öffentlich einsehbaren Easyjet-Datenbestandes durch Mercado. Vielmehr erfolge ein Zugriff nur im Zusammenhang mit einer konkreten Kundenanfrage. Die durch Mercado vermittelten Anfragen auf den Easyjet-Seiten entsprächen in technischer Hinsicht "händischen Anfragen natürlicher Personen". Den Vorwurf Easyjets, durch die Mercado-Software falle in erheblichem Umfang "Anfragemüll" an, habe die Kammer nicht nachvollziehen können.

Auch liege weder eine unlautere Geschäftsbehinderung noch ein unlauterer Schleichbezug von Flugtickets vor, so die Richter. Letzteres hatte das Oberlandesgericht Hamburg in einem Rechtsstreit zwischen Ryanair und dem Reiseveranstalter Vtours erkannt. Kern dieses Streits war aber nicht, dass auch Vtours die Screen-Scraping-Technik zur Datenabfrage bei Ryanair nutzte, sondern dass Vtours auf Grundlage dieser Daten selbst Tickets von Ryanair erwarb und an Dritte weiterverkaufte. Dies sei nicht zulässig, weil das Unternehmen Ryanair beim Buchungsvorgang hinsichtlich der Wiederverkaufsabsicht getäuscht und dadurch das Vertriebssystem in unlauterer Art und Weise behindert habe (Az.: 3 U 191/08).

Nicht durchsetzen konnte sich Ryanair jedoch gegenüber dem Online-Reisebüro Cheaptickets, das ebenfalls Screen Scraping nutzt. Das Oberlandesgericht Frankfurt befand in dem entsprechenden Verfahren (Az.: 6 U 221/08), dass automatische Buchungsanfragen, die Cheaptickets per Screen Scraping durchführt, lediglich Vertretergeschäfte für Fluggäste darstellen. Solange Reisebüros nicht als Reiseveranstalter gegenüber dem Kunden auftreten, sondern ihm lediglich eine Beförderungsleistung vermitteln, sei das automatische Auslesen von Flug- und Tarifinformation per Screen Scraping rechtskonform.

Laut Volker Herrmann, Geschäftsführer von InteRes, das Kundenbeziehungen zu Reisebüros wie L’TUR, TUI oder auch Rewe Touristik unterhält, gab es Verhandlungen mit Easyjet über die Nutzung einer API, diese sei jedoch mit Lizenzkosten verbunden, die dann an die Kunden weitergegeben werden müssten. Hinzu kämen Buchungsgebühren und "erheblich mehr Aufwand". Der Vorwurf Easyjets, man frage massenhaft Verfügbarkeiten ab, sei nicht zutreffend.

Letztlich profitiere Easyjet ja sogar von der Software seines Unternehmens, sagt Herrmann, das habe selbst das Landgericht Hamburg festgehalten. Tatsächlich heißt es in dem Urteil, durch die Software würde Easyjet in "nicht unerheblichem Umfang neue Kundenkreise erschließen". Und: "Das Gericht sieht bei der Interessenabwägung, dass durch die Software das berechtigte Interesse der Verbraucher gefördert wird, in kostengünstiger und zeitsparender Weise das Flugangebot verschiedener Fluggesellschaften vergleichen zu können." (pmz)