Steve Ballmer und René Obermann: Offene Plattformen und Standards fürs Cloud Computing

"Ich glaube nicht, dass sich die Nutzer mit geschlossenen Systemen zufriedengeben", erklärte der Microsoft-Chef zur Zukunft der Rechenzentrumstechniken, mit denen Web-Anwendungen weltweit gewährleistet werden sollen. Der Telekom-Chef forderte eine internationale Angleichung der Datenschutzstandards, um Vertrauen für Cloud Computing zu schaffen.

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Von
  • Torsten Kleinz

Für den IT-Konzern Microsoft und die Deutsche Telekom bietet Cloud Computing glänzende Zukunftsaussichten, wie die Chefs beider Unternehmen am heutigen Mittwoch in Köln versicherten. Damit der Markt das gewaltige Potenzial nutzen könne, forderte Telekom-Chef René Obermann aber einheitliche Standards und eine internationale Angleichung von Datenschutzstandards. Auch der Microsoft-Chef betonte die Notwendigkeit offener Plattformen: "Ich glaube nicht, dass sich die Nutzer mit geschlossenen Systemen zufriedengeben", erklärte Steve Ballmer.

"Der Markt für Cloud Computing explodiert förmlich", erklärte Obermann in seiner Eigenschaft als Vize-Präsident des Branchverbands Bitkom zum Auftakt einer Konferenz zum Thema in Köln. Beim Cloud Computing, das die Basis liefert für Web-Anwendungen und die Software-Versorgung über Internet, liegt der Schwerpunkt der Rechenleistung, Anwendungsbereitstellung und Datenspeicherung nicht auf dem Client, sondern bei den Servern, die in Grids und großen Serverfarmen organisiert sind. Nach einer aktuellen Studie soll der Umsatz von 1,14 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 8,2 Milliarden Euro im Jahr 2015 steigen, das Umsatzwachstum liege bei 48 Prozent pro Jahr.

Für diese enormen Steigerungen sei eine robuste IT-Infrastruktur notwendig, betonte der Telekom-Chef. "Am Ende ist für den Erfolg von Cloud Computing vor allem entscheidend, ob und dass die IT in der Wolke funktioniert. Und zwar rund um die Uhr." Momentan leide die Branche aber noch unter Anfangsschwierigkeiten: Viele Unternehmen trauten der neuen Technik noch nicht. "Geschäftskritische Prozesse landen oft noch nicht in der Cloud", beklagte Obermann. Zu groß seien die Bedenken wegen Datenschutz und den anderen rechtlichen Rahmenbedingungen. So hätten viele Unternehmen große Angst vor Datenverlusten und Indiskretionen. "Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, es dauert ewig, bis man das Vertrauen zurückgewinnt", so Obermann. Heute genieße sein Unternehmen zwar mehr Vertrauen als die Branche allgemein, die Akzeptanz von Cloud Computing sei angesichts des Potenzials aber noch sehr niedrig.

Obermann kritisierte die international unterschiedlichen Datenschutzniveaus, besonders in Europa und den USA. Durch die Regelungen wie das Safe Harbor-Abkommen entstünden Wettbewerbsungleichgewichte. Hier sei eine Angleichung der Gesetzgebung wichtig, um das Vertrauen der Unternehmen zu gewinnen. Derzeit versuchen die im Bitkom organisierten Unternehmen das Misstrauen gegen die gesetzlichen Regelungen in den USA durch eine Cloud made in Germany zu begegnen. Hier sei das enge Regelwerk in Deutschland geeignet, bei den Kunden mehr Vertrauen zu schaffen. Ob diese Regeln aber auf Dauer förderlich für die IT-Industrie seien, ließ Obermann offen: "Ich sage nicht, dass wir in Deutschland alles besser machen".

Ballmer pflichtete Obermann bei der Forderung nach einer Angleichung der Regelungen zur Privatsphäre bei, hing die Latte aber etwas niedriger: "Die Angleichung innerhalb von Europa ist zwingend." Besonders das IT-Geschäft mit Regierungen, das bis zu ein Viertel des gesamten IT-Marktes ausmache, erfordere aber Anpassungen an die lokalen Gegebenheiten. Eine international übergreifend vergleichbare Lösung sieht Ballmer aber nicht am Horizont. Insgesamt stellte er dem deutschen Markt ein gutes Zeugnis aus: "Die Deutschen sind bei neuen Technologien immer vorne mit dabei." So hätten bereits Siemens, Mercedes Benz und das Bundesland Baden-Württemberg Pilotprojekte mit den Cloud-Diensten aus dem Hause Microsoft gestartet.

Die Umstellung auf das Cloud Computing erfordere aber große Umstellungen in allen Bereichen. "Wir brauchen vor allem smartere Geräte" sagte Ballmer, ließ sich aber keine Details zum bevorstehenden Start von Windows Phone 7 entlocken. Sein Konzern arbeite bereits intensiv daran, die IT-Infrastruktur an die neuen Anforderungen anzupassen. So sei die Zeit für mobile Datencenter gekommen, die in einem Schiffscontainer untergebracht sind und nur an die lokale Infrastruktur angebunden werden müssen. Zudem müssten die Anwendungen der sozialen Netze viel weiter entwickelt werden, um für den Endnutzer nützlich zu sein: "Derzeit ist es einfacher herauszufinden, wer ein Fan von Britney Spears ist als wer einem Arzt vertraut, bei dem man sich einer Krebsbehandlung unterziehen will", sagte Ballmer.

Obermann betonte auch die Rolle der Telekommunikationsindustrie bei dem Ausbau der neuen Branche. So sei die vom Ausbau der Breitband-Anbindungen abhängig: "Die Upload-Geschwindigkeit wird eine wesentlich höhere Rolle spielen", erklärte Obermann. Um die Entwicklung voranzubringen, seien die Telekommunikationsunternehmen in Deutschland bereit, in Vorleistung zu treten: Der Bitkom-Vizepräsident stellte Investitionen von 10 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren in Aussicht. Dazu müsse Deutschland aber seine Vorschriften zur Netzregulierung anpassen. So sei eine nachträgliche Regulierung wie in Monopol-Zeiten für den Ausbau der Glasfaser-Netze mit vielen konkurrierenden Marktteilnehmern nicht sinnvoll, die Unternehmen brauchten für die zweistelligen Milliardeninvestitionen Planungssicherheit.

Auf die Frage, ob sich auch Service-Anbieter in der Cloud an dem Ausbau der Infrastruktur beteiligen sollten, erklärte Obermann: "In erster Linie werden die Investitionen durch die Kunden zurückverdient." Wenn beim Peering aber ein bestimmtes Datenvolumen massiv überschritten werde, könne man darüber verhandeln, ob man die Anbieter nicht an den Kosten beteilige. (jk)