EU-Parlament macht sich für Harmonisierung des Patentwesens stark

In einem Antrag zur Lissabon-Agenda fordern die Abgeordneten die Vereinheitlichung der Patentgesetze in den Mitgliedsstaaten, ein noch weiter gehender Passus zur gegenseitigen Anerkennung wurde gestrichen.

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Das EU-Parlament hat in seiner Plenarsitzung am heutigen Mittwoch in Straßburg einen Antrag zur Einhaltung der Lissabon-Strategie mit Änderungsanträgen verabschiedet. In der von Christ- und Sozialdemokraten gemeinsam mit den Liberalen eingebrachten Entschließung betonen die Abgeordneten etwa pauschal, "dass die derzeit geltenden Rechtsvorschriften für Rechte an geistigem Eigentum geändert werden müssen". Konkret wird die EU-Kommission aufgefordert, "so bald wie möglich einen Vorschlag für die Harmonisierung von Patentgesetzen in den Mitgliedstaaten vorzulegen". Damit soll im Rahmen der Lissabon-Strategie, mit der sich die EU bis 2010 zur wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsmacht aufschwingen will, "mehr Rechtssicherheit" geschaffen und "die Innovation" vorangebracht werden. Zur Begründung legt der Antrag dar, dass es im Vergleich zu den USA in Europa deutlich teurer sei, sich ein Patent registrieren zu lassen. Der bürokratische und zeitliche Aufwand für den Erhalt eines entsprechenden Monopolanspruchs würde so gerade für kleine und mittlere Unternehmen "ein großes Hindernis darstellen".

Mit der Frage, ob der Mittelstand seine möglicherweise bald günstiger zu erwerbenden EU-weiten Patente überhaupt gegen Konzerne mit bereits gut gefüllten Portfolios für gewerbliche Schutzrechte und mit speziellen Patentanwaltsabteilungen überhaupt durchsetzen könnte, beschäftigt sich das Papier nicht. Die Abgeordneten kommen zudem teilweise einer noch bis Ende März laufenden Konsultation der Kommission zur künftigen EU-Patentstrategie zuvor, in der diese eine Harmonisierung des Binnenmarktes über die Schaffung eines Gemeinschaftspatents vorschlägt. Mit Hilfe eines Änderungsantrags lehnten die Parlamentarier einen zunächst in der Beschlussvorlage enthaltenen Passus ab, der konkret die "gegenseitige Anerkennung" nationaler Patente gefordert hätte. Dieser gescheiterte Vorstoß orientierte sich stark an einem in Brüssel kursierenden Memorandum für eine "Patentinitiative" des CDU-Abgeordneten Klaus Heiner Lehne, das heise online vorliegt.

Der rechtspolitische Koordinator der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) war im Streit um die letztlich vom EU-Parlament zu Grabe getragenen Softwarepatentrichtlinie in die Kritik geraten, da er auch als Anwalt bei der Düsseldorfer Kanzlei Taylor Wessing tätig ist und sich diese unter anderem auf geistiges Eigentumsrecht spezialisiert hat. In seiner auf Ende November datierten Denkschrift für "ein neues europäisches Patentrecht" schlägt Lehne ein Verfahren vor, durch das etwa ein vom portugiesischen Patentamt ausgestelltes Schutzrecht letztlich auch in Deutschland anerkannt würde. Eine Übersetzung des Anspruchs hält der CDU-Politiker nur noch in eine geschäftsübliche Sprache wie Englisch für erforderlich, um die Hauptkosten bei einem mehr oder weniger EU-weiten Patent zu senken.

Florian Müller, Gründer der Kampagne NoSoftwarePatents.com, sowie der Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII), hatten gestern in einem gemeinsamen Schreiben bei den Fraktionen Alarm geschlagen, dass die Einführung einer solchen Praxis fatale Folgen haben könnte. Sie monierten, dass sich Firmen damit künftig gegen Patente aus allen Mitgliedsstaaten verteidigen müssten und die Zahl der durchsetzungsstarken Schutzansprüche insgesamt dramatisch ansteigen würde. Patentantragsteller könnten sich nach Ansicht der Softwarepatentgegner zudem dann an nationale Patentämter wenden, die keine hohen Qualitätsstandards haben und es mit dem Ausschluss gewisser Felder wie Computerprogrammen von den Schutzmöglichkeiten nicht sonderlich eng sehen würden.

Bei den Softwarepatentkritikern herrscht nach der Ablehnung des entsprechenden Passus Erleichterung vor. Da nun aber eine allgemeine Harmonisierung des Patentrechts im Raum stehe, rief Müller erneut dringend zur Beteiligung an der Sondierung der Kommission auf. Auch Selbstständige und kleine Betriebe sollten sich die Chance nicht entgehen lassen, ihre Anforderungen an eine Neugestaltung der Vorgaben zur Patenterteilung in der EU zu formulieren. Müller selbst hat im Namen einiger Mittelständler bereits ein Positionspapier erstellt. Allgemein hielten die Abgeordneten fest, dass der öffentliche Sektor im Bereich Forschung und Entwicklung im Rückstand gegenüber den Zielen von Lissabon ist und auch der private Sektor weit davon entfernt, zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts dort zu investieren. Anzustreben sei aber ein Ziel von drei Prozent. Gerügt wird auch, dass vor allem kleinere Firmen nicht ausreichend in die Forschung investieren. Die Mitgliedstaaten sollten daher ihre politischen Anstrengungen verstärken, um dem Mittelstand "mehr Anreize für Innovation zu bieten".

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente in Europa und die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (anw)