Stricken statt Drucken: Maschine strickt feste 3D-Strukturen
Zwar sind mit 3D-Druck dreidimensionale Strukturen schnell erstellt. Warum sie aber nicht einfach stricken?
François und Victor Guimbretière richten ihre Strickmaschine ein.
(Bild: Luke Stewart/Cornell University)
Ein Forschungsteam der Cornell University und der Carnegie Mellon University hat einen Prototyp einer Strickmaschine entwickelt, der beliebig feste dreidimensionale Strukturen durch horizontal übereinanderliegende Maschenlagen aufbauen kann. Dabei können auch unterschiedliche Steifigkeiten an verschiedenen Stellen einer 3D-Struktur umgesetzt werden.
Die Strickmaschine der beiden Wissenschaftler reicht auf ein privates Strickmaschinenprojekt von François Guimbretière, Professor für Informationswissenschaft und Victor Guimbretière, Student an der Cornell Engineering zurück, das in der Zeit der Covid-19-Pandemie im heimischen Keller weitgehend mit 3D-gedruckten Bauteilen realisiert wurde. Die Idee war es, mithilfe einfacher Garne 3D-Objekte mit variablen Festigkeiten erstellen zu können.
Die Strickmaschine haben die Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit zwei weiteren Forschern verbessert und in der Studie "Using an Array of Needles to Create Solid Knitted Shapes" beschrieben, die in Proceedings of the 38th Annual ACM Symposium on User Interface Software and Technology erschienen ist.
Feste Strukturen stricken
Im Kern besteht die Apparatur aus einem "6 x 6"-Block aus Stricknadeln. Die Nadeln haben dabei ein spezielles Design in Form eines symmetrischen Doppelhakens, bei dem sich der vordere und hintere Teil unabhängig voneinander bewegen kann. Die Nadeln erstellten die Forscher mit dem 3D-Drucker. Sie sind jeweils mit einem Stützrohr aus Messing verbunden. Der Doppelhaken ermöglicht es, links oder rechts Maschen hinzuzufügen, je nachdem, welcher der beiden unabhängigen Haken die Masche zuerst aufnimmt. So lassen sich Maschen vorwärts, rückwärts und diagonal hinzufügen.
Der Strickkopf, der sich direkt über dem Nadelblock befindet und das Garn zuführt, kann sich an jede beliebige Stelle bewegen. So gelingt es, dass die Maschine auch komplexe Strickstrukturen erstellen kann. Je nachdem, wie eine Masche angebracht wird, kann zusätzlich die Stabilität beeinflusst werden. So können 3D-Strukturen gefertigt werden, die an verschiedenen Stellen eine unterschiedliche Festigkeit aufweisen.
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Die Wissenschaftler entwickelten neben der Maschine auch eine passende Steuerungssoftware mit einer Code-Bibliothek fĂĽr jede verschiedene Maschenart. So kann fĂĽr jedes einzelne Objekt ein spezielles Programm generiert werden.
Der Prototyp hat jedoch noch seine Macken, räumen François und Victor Guimbretière ein. Mitunter fallen Maschen herunter oder das Garn verfängt sich in den Nadeln. Die Forscher wollen nun daran arbeiten, die Strickmaschine für die Praxis robuster zu machen. Außerdem wollen sie den Nadelblock vergrößern, um mit mehr Nadeln stricken zu können.
Die Wissenschaftler sehen vor allem Anwendungsmöglichkeiten im medizinischen Bereich. Eine davon ist etwa das Stricken von Strukturen künstlicher Bänder oder Venen.
(olb)