Stammzelltherapie für Querschnittsgelähmte

Weltweit erstmalig wurde in den USA ein teilweise gelähmter Patient mit Vorläufern von Nervenzellen behandelt, die das US-Biotech-Unternehmen Geron aus embryonalen Stammzellen gezüchtet hat.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Ärzte am "Shepherd Center“-Krankenhaus in Atlanta haben am vergangenen Freitag den ersten teilweise gelähmten Patienten einer Stammzell-basierten Therapie unterzogen. Die Mediziner injizierten dem Mann, der sich vor knapp zwei Wochen am Rückenmark verletzt hatte, am Ort der Verletzung Nervenzellen-Vorläufer. Diese hatte das kalifornische Biotechnologie-Unternehmen Geron aus menschlichen embryonalen Stammzellen gezüchtet.

Die Zellen sollen sich im Rückenmark des Patienten zu sogenannten Oligodendrozyten weiterentwickeln, die für die Bildung der Myelinscheide um die Nervenzellfortsätze zuständig sind. Die Myelinschicht ist eine Art Isolierung, die zudem für die Weiterleitung der elektrischen Signale vom Gehirn zu den Extremitäten und der Signale von den Sinnesrezeptoren zum Gehirn unerlässlich ist.

Die Geron-Wissenschaftler hoffen, dass die wegen der Herkunft der Stammzellen umstrittene Therapie – wie schon in vorangegangenen Tierversuchen mit Ratten – das Aussprießen der durchtrennten Nervenfortsätze anregt und damit zur Wiederherstellung der unterbrochenen Signalleitung und zur Wiederkehr der Empfindungen in den gelähmten Körperteilen führt. Das Unternehmen konnte nach eigenen Angaben die Beweglichkeit der am Rückenmark verletzten Nager teilweise wieder herstellen.

Ob sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, muss sich nun zeigen. Geron hatte eine Phase-I-Studie mit Menschen bereits Anfang 2009 bei der US-Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) angemeldet. Die Behörde hatte die Zulassung allerdings zunächst nicht erteilt, weil sich im Rückenmark der behandelten Tiere Zysten gebildet hatten. Im Sommer wurde die Genehmigung dann erteilt, nachdem Geron neue Testergebnisse vorgelegt hatte: Demnach haben die Zysten – die laut Geron bei Rückenmarksverletzungen sowieso häufig entstehen – keine schädliche Wirkung. Darüber hinaus haben die Wissenschaftler bestimmte Therapieschritte verändert, um die Zystenbildung gering zu halten.

In der jetzt angelaufenen ersten klinischen Testphase steht noch nicht die Wirksamkeit der Therapie im Vordergrund, obwohl die Mediziner prüfen wollen, ob sich der Zustand des Patienten verbessert. In erster Linie soll bei den insgesamt zehn Patienten, deren Verletzung am Rückenmark maximal zwei Wochen zurück liegen darf, die Verträglichkeit und Sicherheit der Behandlung untersucht werden – ob es also gravierende Nebenwirkungen gibt.

Erweist sich die Therapie als sicher, würde eine zweite Testphase folgen, in der die Wirksamkeit genauer unter die Lupe genommen und die optimale Dosierung ermittelt wird. Im Erfolgsfall folgt dann die abschließende dritte Phase, in der die Wirksamkeit an einer größeren Patientengruppe belegt werden muss. Bis zu einer Zulassung der Stammzell-basierten Therapie würde es Experten zufolge selbst im Erfolgsfall etwa noch 15 Jahre dauern. (vsz)