Electrostatic Defrosting: Forscher entfernen Eis ohne Hitze und Chemie
Um Oberflächen zu enteisen, werden meist Hitze oder Chemikalien verwendet. Ein neues Verfahren setzt dagegen auf Elektrostatik.
Forschungsleiter Jonathan Boreyko bei Experimenten an einer Frostschicht.
(Bild: Virginia Tech/Alex Parrish)
Ein Forschungsteam der Virginia Tech hat erste Ansätze entwickelt, um Eis zu entfernen, ohne dabei energieintensiv erzeugte Hitze oder teure und umweltschädliche Chemie zu verwenden. Das Electrostatic Defrosting (EDF) genannte Verfahren benötigt nur wenig Energie, kann jedoch in einem frühen Entwicklungsstadium lediglich zu 75 Prozent eine Enteisung einer speziellen Oberfläche herbeiführen.
Der Forschungsleiter Jonathan Boreyko hat der Vereisung schon vor längerer Zeit den Kampf angesagt. Er hatte bereits 2021 eine Methode entwickelt, die mittels eines angelegten elektrischen Feldes mikroskopisch kleine Eiskristalle von einer Oberfläche ablösen kann. Nun haben Boreyko und sein Team dieses Konzept erweitert, um eine wirksamere Enteisung ebenfalls ohne Hitzezufuhr oder Chemikalien zu ermöglichen. Denn beide Varianten sind schädlich für die Umwelt, einerseits wegen des hohen Energieverbrauchs, andererseits wegen des Einsatzes umweltschädlicher Chemikalien. Das neu entwickelte Verfahren nennen die Wissenschaftler Electrostatic Defrosting. Beschrieben haben sie es in der Studie mit dem schlichten Titel "Electrostatic Defrosting", die in Small Methods erschienen ist.
Enteisung durch elektrostatisches Verfahren
EDF setzt an den physikalischen Eigenschaften von Eis an. Bei der Bildung von Eiskristallen ordnen sich Wassermoleküle zu einem Eiskristallgitter an. Dabei können jedoch Störungen auftreten, etwa dadurch, dass ein Wasserstoffion fehlt oder ein zusätzliches auftritt. Diese winzigen Störungen werden als ionische Defekte bezeichnet, die lokale positive oder negative Ladungsungleichgewichte aufweisen.
Bei der EDF-Methode wird jetzt oberhalb der vereisten Fläche an einer Kupferelektrode eine positive Spannung angelegt, die die negativen ionischen Defekte anzieht, die sich dann zur Oberseite der Frostschicht bewegen. Die positiven ionischen Defekte werden dagegen abgestoßen und wandern Richtung Basis. Der Frost polarisiert dadurch stark. Dabei wird eine so hohe Anziehungskraft ausgeübt, dass Frostkristalle herausbrechen und Richtung Elektrode springen.
Bereits ohne angelegte Spannung entfernte die Elektrode aufgrund der Selbstpolarisierung etwa 15 Prozent des Eises. Bei einer angelegten Spannung von 120 Volt wurden 40 Prozent des Frostes entfernt, bei 550 Volt waren es 50 Prozent. Die Vermutung, eine höhere Spannung führe zu einer besseren Enteisung, erfüllte sich aber zunächst nicht. Im Gegenteil: Bei 1000 Volt löste sich nur 30 Prozent des Frostes ab, bei 5500 Volt sogar nur 20 Prozent.
Videos by heise
Die Forscher fanden heraus, dass es bei angelegten hohen Spannungen zu einem Ladungsaustritt aus dem polarisierten Eis in das darunter liegende Substrat kam. Die Forscher verwendeten deshalb ein luftspeicherndes, extrem hydrophobes Substrat. Das führte dazu, dass bei höherer Spannung bis zu 75 Prozent des Eises entfernt werden konnte.
Die Wissenschaftler sehen EDF derzeit noch in einem "sehr frühen Stadium". Sie wollen ihre Forschungen weiter intensivieren, um 100 Prozent des Eises zu entfernen. Darunter fallen auch Untersuchungen, wie Eis von verschiedenen Oberflächen entfernt werden kann, nicht nur auf einer spezifischen.
(olb)