Bundeswehr sucht IT-Spezialisten: Hohe Abbrecherquote als Problem
Die Truppenstärke der Bundeswehr soll stark steigen – durch den neuen Wehrdienst sowie Berufs- und Zeitsoldaten mit speziellem Fachwissen, etwa in der IT.
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Das Interesse an der Bundeswehr als Arbeitgeber ist viel größer, als die meisten erwarten: 51.200 Bewerbungen hat die Bundeswehr nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr für den militärischen Dienst erhalten. Das waren 19 Prozent mehr als im Vorjahr. Für den zivilen Bereich gingen mit 88.300 sogar 41 Prozent mehr Bewerbungen ein. Das macht insgesamt 139.500 Bewerbungen und somit ein Plus von einem Drittel. Von solch großem Interesse können andere Arbeitgeber nur träumen.
Gewinnung von Fachkräften ist eine Herausforderung
Dennoch: „Die Gewinnung von Fachkräften ist auch für uns eine Herausforderung, beispielsweise was IT-Spezialistinnen und IT-Spezialisten oder auch medizinisches Fachpersonal angeht“, sagt ein Sprecher des Kommando Cyber- und Informationsraum. Das ist eine eigene Teilstreitkraft der Bundeswehr. Der Grund für die Steigerung der Bewerberzahlen liegt nach seiner Auskunft in den neuen und erfolgreichen Maßnahmen zur Personalgewinnung junger Leute, die seit 2023 umgesetzt werden. „Mit zeitgemäßen und innovativen Formaten erreichen wir die junge Zielgruppe dort, wo sie unterwegs ist: ob an Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen, in Shoppingcentern, im Internet oder auf Social Media.“ Das Durchschnittsalter der Bewerberinnen und Bewerber liegt bei rund 23 Jahren.
Die hohen Bewerberzahlen bedeuten aber nicht, dass die Zahl der Soldaten sprunghaft ansteigt. Denn von den gut 50.000 Bewerbungen fĂĽhrten letztlich 20.300 zu Einstellungen. Das war im vergangenen Jahr ein Plus von 1500 Einstellungen gegenĂĽber dem Vorjahr und damit 8 Prozent mehr.
Hohe Abbrecherquote
Vier Einstellungen standen im Jahr 2024 jedoch rund einem vorzeitigen Abbruch des Dienstes in den Streitkräften gegenüber. Abbrüche in den ersten sechs Monaten der Dienstzeit waren und sind eine Herausforderung für die Bundeswehr. Die hohe Abbrecherquote will sie „zum Beispiel durch mehr transparentes Erwartungsmanagement bereits vor Dienstantritt, heimatnahe Angebote und alternativen Dienstoptionen im Bedarfsfall“ reduzieren. Insgesamt haben 2024 etwa 16.000 Soldatinnen und Soldaten die Bundeswehr verlassen, etwa weil ihre Verträge als Zeitsoldaten ausgelaufen sind.
Ende 2024 lag der Personalbestand der Bundeswehr nahezu unverändert gegenüber dem Vorjahr bei 181.150 Soldatinnen und Soldaten. Der Frauenanteil beträgt 13,6 Prozent und ist damit deutlich geringer als im Bundesdurchschnitt aller Beschäftigten mit knapp der Hälfte. Der Bestand an Reservistinnen und Reservisten betrug 49.200. Diese Personalbestände reichen nun nicht mehr aus.
„Die Erfüllung der NATO-Ziele und weitere mit der Landes- und Bündnisverteidigung verknüpfte Bedarfe erfordern in einer ersten Grobeinschätzung einen Gesamtumfang der Bundeswehr von circa 460.000 Soldatinnen und Soldaten“, sagt der Sprecher. Das bedeutet mindestens etwa 260.000 aktive Soldaten und rund 200.000 Reservisten. Dieser Zuwachs soll bis in die 2030er Jahre hinein erfolgen.
Seit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 ist die Bundeswehr eine Berufsarmee, weil die Streitkräfte im Wesentlichen aus Berufs- und Zeitsoldaten bestehen. Sie dienen freiwillig und rücken nicht mehr aufgrund einer Wehrpflicht ein. Mit dem Ende der Wehrpflicht wurde ein freiwilliger Wehrdienst eingeführt. Er dauert mindestens sieben und maximal 23 Monate. Insgesamt dienen mit Stand August 2025 in der Bundeswehr 10.724 freiwillig Wehrdienstleistende, davon 1817 Frauen.
Wehrdienstreform ab 2026
Am Mittwochabend, dem 12.11.2025, haben sich die Regierungsparteien von Union und SPD auf eine Reform des Wehrdienstes geeinigt. Demnach soll der Dienst zunächst freiwillig bleiben, sofern sich genügend freiwillige Männer melden. Ab 2026 sollen junge Menschen ab dem Geburtsjahr 2008 einen Fragebogen erhalten, in dem ihre Bereitschaft für einen Dienst in der Bundeswehr abgefragt wird. Männer müssen ihn ausfüllen, Frauen können das.
Weiterhin wurde vereinbart, dass alle 18-jährigen Männer verpflichtend gemustert werden. Sollte die Truppenstärke bis zum Jahr 2035 nicht um rund 80.000 auf 260.000 Soldatinnen und Soldaten ansteigen, wird die Wehrpflicht wieder aktiviert. Wenn es so weit kommen sollte, kann aus allen Gemusterten ausgelost werden, wer zur Bundeswehr muss. Die Anzahl der Reservisten von 200.000 soll vor allem durch den neuen Wehrdienst erreicht werden.
Kommando Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr (9 Bilder)

Kommando Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr
)Ende August 2025 hatte die Bundeswehr 182.357 Soldatinnen und Soldaten in Uniform. Die meisten dienen in einem der vier Teilstreitkräfte, bestehend aus Heer, Luftwaffe, Marine und Cyber- und Informationsraum (CIR). Der zuletzt genannte wurde erst 2017 gegründet und ist somit der jüngste. Mit etwa 13.700 Dienstposten ist er personell auch der kleinste. Diese Dienstposten sind auf rund 25 unterschiedliche Dienststellen verteilt. Sie beinhalten neben Informationstechnikbataillonen auch die Bataillone „Elektronische Kampfführung“ und das Zentrum für Cybersicherheit. Im CIR arbeiten viele IT-Fachleute und es werden für den Ausbau der digitalen Bundeswehr weitere benötigt. „Aber auch das Heer, die Marine und die Luftwaffe haben IT-Fähigkeiten in unterschiedlichen Verwendungen“, sagt der CIR-Sprecher.
In welcher Dienststelle IT-Fachpersonal eingesetzt wird und welche Aufgaben wahrgenommen werden, ergibt sich nach Angaben des Sprechers im Grundsatz durch die Personalplanung des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr, dem jeweiligen Auftrag der Dienststelle aber auch persönlichen Interessen. Weil die Bandbreite an IT-Aufgaben sehr breit ist, dürfe für jeden IT-Interessierten etwas dabei sein.
IT-Fachkräfte gesucht
„Zahlenmäßig besteht der größte Bedarf an IT-Fachkräften bei Unteroffizieren und Feldwebeln. Besonders gesucht werden auch Offizierinnen oder Offiziere im Bereich Cyber und IT, die ein MINT-Studium bei der Bundeswehr absolvieren möchten“, so der Sprecher weiter.
Bei Dienstposten mit IT-Hintergrund gibt es üblicherweise zwei Arten von Personal. Zum einen sind es diejenigen, die bereits aus einer anderen Bundeswehrtätigkeit kommen. Hier spielt die bereits durchlaufene Ausbildung und Fachkompetenz eine große Rolle. Folgelehrgänge zur Aneignung oder Vertiefung des Fachwissens sind dabei durchaus üblich. Zum anderen werden viele IT-Dienstposten auch an Neueinsteiger in die Bundeswehr vergeben. „Dieser Personenkreis erhält in Abstimmung zu ihrer bereits vorhandenen Vorbildung eine entsprechende Ausbildung zum Unteroffizier, Feldwebel oder zum Offizier“, sagt der Sprecher.
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Beispiel IT im CIR: Vorhandene IT- und Informatikkenntnisse würden eine hervorragende, aber nicht zwingend notwendige Grundlage bilden, denn nötiges Wissen lehrt die Bundeswehr über ihre eigenen Ausbildungseinrichtungen. Der klassische Administrator von IT-Systemen ist Feldwebel. Die Qualifikation der Feldwebel-Laufbahn reicht im Vergleich zur zivilen Arbeitswelt vom Gesellen bis zum Meister. Ein Aufstieg in die Offizierslaufbahn ist möglich. Offiziersanwärter können an den Bundeswehruniversitäten in Hamburg und München beispielsweise Digital Engineering oder Informatik studieren. Weitere fachliche Ausbildungen und gegebenenfalls erforderliche Zusatzqualifikationen werden über das CIR-Ausbildungszentrum oder über zivile Kooperationspartner erlangt. Das vorhandene Fachwissen wird dann in den Bereichen Cyber/IT, Elektronischer Kampf, Geoinformationswesen oder der Operativen Kommunikation eingesetzt.
„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir in der gegenwärtigen sicherheitspolitischen Lage aus Gründen der militärischen Sicherheit keine konkreten Zahlen zu offenen Fachstellen oder Details zu Ausbildungsinhalten kommunizieren können“, sagt der Sprecher. Aufgrund der hohen Spezialisierung und des aktuell starren Stellengerüsts würden Stellen für Soldaten im Status Freiwilliger Wehrdienst im CIR eine eher nachgeordnete Rolle spielen.
(afl)