Gruppenchat der EU auf Signal: Geheimabsprachen auf normalem Messenger?
Dass EU-AuĂźenminister und -ministerinnen einen Gruppenchat auf Signal nutzen, war bekannt. WorĂĽber sie aber schreiben, dazu sind die Reaktionen widersprĂĽchlich.
(Bild: Primakov/Shutterstock.com)
Mehr als ein halbes Jahr nachdem bekannt wurde, dass sich EU-Außenminister und -ministerinnen in einem Gruppenchat auf Signal austauschen, bleibt weiter unklar, worüber eigentlich. Laut einer Recherche zahlreicher europäischer Nachrichtenmedien haben mehrere EU-Regierungen Informationen darüber verweigert, berichtet der SWR. Eine Offenlegung von Chats würde die Vertraulichkeit verletzen oder gar einem Staat schaden, habe es demnach geheißen. Gleichzeitig habe der für die Chatgruppe verantwortliche Europäische Auswärtige Dienst (EAD) aber erklärt, dass dort keine sensiblen Informationen ausgetauscht würden. Deshalb würden die Nachrichten "weder konsequent registriert noch archiviert". Beides scheint sich zu widersprechen.
Vertraulich, oder nicht?
Verweigert wurde die Herausgabe von Informationen zu dem Gruppenchat demnach unter anderem in Dänemark und Schweden. Aus Stockholm hieß es demnach, dass alle Informationen zu dem Chat der Geheimhaltungspflicht unterliegen. Die Freigabe würde "die zwischenstaatlichen Beziehungen Schwedens stören oder dem Land in anderer Weise schaden", zitiert der SWR. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es demnach, dass Bundesaußenminister Wadephul Mitglied der Gruppe sei, vertrauliche oder sicherheitsrelevante Themen aber stets über dafür vorgesehene Kanäle kommuniziert werden. Das Mediennetzwerk hat dem Bericht zufolge aber Hinweise, dass auf Signal tatsächlich vertrauliche Gespräche geführt würden, etwa zur humanitären Lage im Gaza-Streifen.
Der Weigerung der Regierungen, Informationen zu dem Chat preiszugeben, stehen Äußerungen des EAD entgegen, die nahelegen, dass in den Chats "lediglich alltägliche Belanglosigkeiten ausgetauscht", wie es der SWR ausdrückt. Denn wenn dort nur Geburtstagsglückwünsche und Urlaubsfotos landen, stünde einer Veröffentlichung nichts im Wege. Der ehemalige EU-Abgeordnete Patrick Breyer macht diesen Widerspruch deutlich: "Man deklariert die Kommunikation als 'informell' und 'nicht-sensibel', um sich der amtlichen Aktenführungspflicht [...] zu entziehen", zitiert ihn der SWR. Wenn aber jemand Einsicht fordere, seien dieselben Chats plötzlich so sensibel, dass eine Freigabe eine Gefahr für die internationalen Beziehungen sei.
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Die Existenz des europäischen Gruppenchats war im Zuge der Signal-Affäre der US-Regierung in den Fokus der Öffentlichkeit geraten: Im Frühjahr war der Chefredakteur eines US-Magazins versehentlich einem Gruppenchat hoher US-Regierungsvertreter hinzugefügt worden und konnte dort Nachrichten zu US-Angriffen auf den Jemen mitlesen. Die Affäre hatte deutlich gemacht, warum private Smartphones mit ihren sich ändernden Funktionen und unterschiedlichen Anwendungen für derartige Besprechungen nicht autorisiert werden und es dafür speziell abgesicherte Kommunikationswege gibt. Darauf verweist nun auch Breyer, der meint, "in Sachen IT-Sicherheit agieren die EU-Außenminister hier in der Amateurliga". Hier werde mit der nationalen Sicherheit Europas gespielt.
(mho)