IOEMA: Neues Unterseekabel fĂĽr Nordeuropa mit Fokus auf Sicherheit

Ein Unterseekabel namens IOEMA soll Nordsee-Anrainerstaaten verbinden. Sicherheit und hohe Datenraten stehen im Fokus, um digitale Infrastruktur zu schĂĽtzen.

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Geplanter Verlauf des IOEMA-Unterseekabels

Die Grafik zeigt den geplanten Verlauf des Unterseekabels IOEMA, das auch in Deutschland, in Wilhelmshaven, anlanden soll.

(Bild: IOEMA)

Lesezeit: 5 Min.
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Im Jahr 2025 ein Unterseekabel zu planen, ist gar nicht so einfach: Neben Investoren und Netzpartnern für den Anschluss spielt bei heutigen Vorhaben auch das Thema Sicherheit eine immer größere große Rolle. Die globale Vernetzung ist zu wichtig geworden, als dass ein Ausfallschaden durch einen falschen Ankerwurf eines Schiffskapitäns leichtfertig hingenommen werden kann. Und mehr noch: Beobachtungen von Spähschiffen in Nordsee und Nordatlantik weckten in letzter Zeit Befürchtungen, dass das digitale Rückgrat der Welt mehr und mehr zum Angriffspunkt für Sabotage werden könnte.

Eckhard Bruckschen kennt diese Sorgen nur zu gut. Der Geschäftsführer der Projektgesellschaft IOEMA mit Sitz in Großbritannien plant aktuell ein langes Seekabel, das die europäischen Nordsee-Anrainerstaaten miteinander verbinden soll. Das Glasfaserkabel soll auch in Deutschland anlanden. Im niedersächsischen Wilhelmshaven ist ein Anschluss vorgesehen, den Bruckschen mit dem Netzbetreiber EWE aus Oldenburg realisieren will. Es wäre das erste Internet-Seekabel seit der Stilllegung von TAT-14 im Jahr 2020, das wieder im Nordwesten Deutschlands anlandet. Bis vor ein paar Jahren waren noch einige Unterseekabel im etwas weiter westlich gelegenen Norden angebunden.

IOEMA ist als 1620 Kilometer langes Glasfaserkabel geplant, das in eineinhalb Metern Tiefe vergraben wird. Es soll in seiner ersten Ausbaustufe Großbritannien, die Niederlande, Deutschland, Dänemark und Norwegen miteinander verbinden. Der ausgeschriebene Name, Internet-Operator-Europe-Midwest-America, verrät es: IOEMA soll nicht weniger als eine strategische Neuausrichtung der digitalen Infrastruktur in Nordeuropa werden, heißt es in einer Präsentation des Projekts. Dafür sind Datenübertragungsraten von bis zu einem Petabit pro Sekunde möglich (aktuell geplant: 24 Glasfaserpaare mit 37 Terabit/s oder mehr pro Paar).

Das IOEMA-System soll insgesamt sieben Landepunkte verbinden: In Großbritannien sind es Leiston und Dumpton Gap, in den Niederlanden Eemshaven und Den Haag (beide neue Landepunkte), dazu kommen Wilhelmshaven in Deutschland, Blaabjerg in Dänemark und Kristiansand in Norwegen. Eine mögliche Erweiterung nach Saint-Valery-en-Caux in Frankreich mit weiteren 210 Kilometern Kabellänge wird derzeit geprüft.

Die Sicherheit spiele eine große Rolle, betont der Geschäftsführer der Projektgesellschaft: "Wir müssen das Kabel durchschnittlich 1,5 Meter tief im Meeresboden vergraben, um es vor Beeinträchtigungen durch Fischerei oder Anker zu schützen", erklärt er. In küstennahen Bereichen soll die Verlegetiefe sogar bis zu drei Meter betragen. Das gesamte System wird vollständig armiert, die küstennahen Abschnitte sogar doppelt gepanzert.

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Ein solch weitreichendes Kabel kreuzt natürlich auch andere Verbindungen: Über 90 Kreuzungen mit bestehenden Glasfaserkabeln, Stromleitungen und Pipelines müssen bewältigt werden. Die Repeater-Abstände liegen zwischen 70 und 80 Kilometern, abhängig vom letztendlich gewählten Hersteller. Sensoren, die seismische Aktivitäten, Temperaturveränderungen und Bewegungen erkennen, sollen die Sicherheit des Kabels erhöhen. Deren Daten könnten sowohl zur Absicherung als auch für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden.

Das Thema Sicherheit spielt allerdings auch in den Verlauf des Kabels hinein. Erst kürzlich hatte die Europäische Kommission einen Bericht über die Sicherheit von Unterseekabeln veröffentlicht. Ein großes Problem, das bei der Untersuchung erkannt wurde, sind die Zuständigkeiten fernab der Küsten und dass Kabel in Korridoren verlaufen, die nicht ständig überwacht werden können. IOEMA soll stattdessen möglichst dort verlaufen, wo ohnehin genau hingeguckt wird: "Unsere Route verläuft parallel zur Küstenlinie und bietet eine weitere 'Grenze', die Schiffe – auch dunkle Schiffe (Schiffe, die kein Positionssignal senden, Red.) – überqueren müssen und die dann leichter überwacht werden können", sagt Bruckschen.

Dieses Alleinstellungsmerkmal soll das Kabel auch attraktiv für Investoren und Nutzer machen. Denn noch ist die Realisierung nicht gesichert. Aktuell laufe die Vorverkaufsphase. Erst wenn mindestens 25 Prozent der Kapazitäten verkauft sind, folgt der nächste Schritt. Und auch hier bewegt sich das Europaprojekt in einem schwierigen Umfeld. Der Markt der Seekabel wird von den großen US-Hyperscalern wie Amazon und Meta dominiert, stellte die EU fest. Das bestätigt auch Bruckschen im Gespräch mit heise online. Für die Tech-Giganten seien die Investitionen in Unterseekabel "Kleingeld". Und ganz ohne sie geht es nicht: "Heutzutage muss man mindestens einen Hyperscaler an Bord des Kabelsystems bekommen, um die Investmentcommunity zu interessieren." Bei IOEMA hofft man, dass das gestiegene Interesse an Sicherheit dazu führt, dass das Projekt gegen diesen Trend realisiert werden kann.

Wenn die Vorverkäufe wie geplant verlaufen, könnten gegen Ende des ersten Quartals 2026 die Verträge über die Installation des Kabels geschlossen werden. "Dann wäre das Kabelsystem Anfang 2029 betriebsbereit", so der Zeitplan von Bruckschen. Die technische Spezifikation (RFQ) ist derzeit in Vorbereitung, Anträge für das Connecting Europe Facility (CEF) Programm der EU wurden bereits eingereicht.

IOEMA soll auf bestimmten Routen die Latenzzeiten um bis zu 5,5 Millisekunden verkürzen. Zudem soll es für mehr Netzredundanz in Nordeuropa sorgen. Es soll Lücken auffüllen, die durch die Abschaltung alter Unterseekabel hinterlassen werden. Und das Kabel könnte Festland-Europa besser an Skandinavien anbinden, wo angesichts günstiger erneuerbarer Energie immer mehr Rechenzentren entstehen.

Update

Es wurde eine Korrektur vorgenommen, die präzisiert, dass es sich um das erste Untersee-Datenkabel handelt, das in den Nordwesten Deutschlands führt, nicht in ganz Deutschland.

(mki)