Konsortium empfiehlt "gläserne Chipfabrik" für Europa
Statt in superteure Chip-Riesenprojekte sollten Fördermittel in offene, vertrauenswürdige und skalierbare Fertigungsmodule fließen.
Wafer in einer Chip-Fab von Bosch.
(Bild: Bosch)
Das Konzept für eine "European Reference Fab" will die Chipfertigung in Europa stärken. Es zielt auf souveräne und günstige Produktion vertrauenswürdiger Halbleiterbauelemente. Durch offengelegte Entwicklungswerkzeuge und flexible Chiplet-Gehäusetechnik (Packaging) sollen auch kleinere Firmen innovative Chips fertigen lassen können.
Das Konzept empfiehlt die Einrichtung einer "gläsernen Referenz-Fab" mit Industriepartnern und europäischen Fördermitteln, zunächst für Chips mit 130- und 65-Nanometer-Strukturen. Diese Blaupause könnten dann später auch andere Chiphersteller implementieren oder je nach ihrem Bedarf abwandeln.
Skalierung in mehrere Dimensionen
Die Experten des HEP-Konsortiums gehen davon aus, dass sich eine European Reference Fab zur Fertigung von 65-Nanometer-Strukturen auf 300-Millimeter-Wafern mit Investitionen von wenigen Milliarden Euro bauen lässt. Das wäre deutlich billiger als eine Fab für Chips mit feineren Strukturen.
Gleichzeitig sei der Bedarf an Chips der 65-Nanometer-Klasse und darüber bei europäischen Industriefirmen hoch; das belegen derzeit auch die Probleme durch Engpässe bei Nexperia.
Später könnten die Fabs relativ kostengünstig für die Produktion feinerer Strukturen umgerüstet werden. Wichtig sei vor allem, dass der europäische Referenz-Workflow von mehreren konkurrierenden Unternehmen angeboten werde.
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Offengelegter Design-Workflow
Der Einsatz von quelloffener Chipdesign-Software (Tools für Electronic Design Automation, EDA-Tools) und offengelegte Process Design Kits (PDKs) sind aus mehreren Gründen wichtig. Erstens lassen sich die damit hergestellten Chips leichter auditieren, also auf unabsichtliche Fehler oder absichtlich eingebaute Hintertüren prüfen. Das ist essenziell für sicherheitskritische Bauelemente wie Trusted Platform Modules/Roots of Trust (TPM/RoT) sowie für militärische Anwendungen. Hier hat Europa insgesamt erheblichen Bedarf.
Zweitens erleichtern offene Entwicklungswerkzeuge auch kleineren Firmen die Entwicklung kundenspezifischer Chips. Viele der von großen Auftragsfertigern geforderten Design Flows verlangen den Einsatz zertifizierter proprietärer EDA-Tools von Firmen wie Cadence, Synopsys oder Siemens, die sehr teuer sein können.
Drittens kann offene EDA-Software gegen zu große Abhängigkeit von einzelnen Anbietern schützen, sofern es genügend Mitstreiter gibt.
Packaging und Chiplets
Großen Wert legen die Autoren des Konzepts für die European Reference Fab auch auf die Chip-Fertigungsschritte Test und Packaging. Dabei geht es um die Funktions- und Qualitätsprüfung der einzelnen Dies auf einem Wafer, die Vereinzelung der Dies, die Herstellung von Kontakten und den Einbau der Dies in Gehäuse. Dabei soll auch eine offene und flexible Chiplet-Technik eingeplant werden. Die Kombination anwendungsspezifischen (ASIC-)Chiplets mit Chiplets anderer Zulieferer über standardisierte Schnittstellen wie UCIe ermögliche die relativ schnelle Anpassung von Chips an verschiedene Anwendungsgebiete und Märkte.
Um abermals das Beispiel Nexperia zu Bemühen: Die Ursache einiger Probleme liegt darin, dass besonders viele Fabs für Test & Packaging in Asien stehen, etwa auch in China. Gegenbeispiel ist der OSAT-Anbieter Amkor (Outsourced Semiconductor Assembly and Test/OSAT), der in Portugal Kapazität aufbaut und dabei mit Infineon kooperiert.
Die HEP-Allianz
Die HEP-Allianz zielt auf "Hardening the value chain through open source, trusted EDA tools and processors". Es geht um offene und vertrauenswürdige Entwicklungswerkzeuge für Chips, auch zur Stärkung der digitalen Souveränität.
Zu den assoziierten Partnern der Allianz zählen Firmen wie Bosch, Swissbit und Hensoldt Cyber. Hensoldt Cyber entwickelt selbst einen Sicherheits-Chip mit RISC-V-Technik unter anderem für militärische Anwendungen.
(ciw)