Digitalgipfel: Wer fĂĽhrt und wer folgt
Die Teilnehmer des europäischen Digitalgipfels erhoffen sich ein Aufbruchsignal: Bremsen lösen, volle Kraft voraus fĂĽr KI – und Europa endlich souverän machen.Â
Roland Lescure und Karsten Wildberger auf dem Gipfel in Berlin.
(Bild: BMDS)
Wer entscheidet über Algorithmen, über die Bedingungen von Cloud- und Datennutzung? Eine echte Auswahl zu haben, sei der Kern der digitalen Souveränität, die Voraussetzung für Demokratie und wirtschaftliches Wohlergehen, sagt Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU) am Dienstag zum Auftakt des Gipfels zur Europäischen Digitalen Souveränität in Berlin. Europa sei zu lange nur Kunde und Zuschauer gewesen.
Die Regulierung sei zu kompliziert und die Infrastruktur nicht gut genug, betont Wildberger. Das müsse sich ändern: "KI kann unser Comeback werden, das digitale Comeback für Europa." Für den deutschen Digitalminister ist Künstliche Intelligenz viel mehr als nur eine weitere technische Innovation, er glaubt, dass sich mit KI "das Denken, Arbeiten und die Art, wie wir Probleme lösen" ändern werde. Auch deshalb müsse sich Europa hin zu smarterer Regulierung bewegen.
Lescure: Europäische Anbieter bevorzugen
Dem widerspricht Frankreichs unter anderem für Wirtschaft und Digitales zuständige Superminister Roland Lescure nicht, doch treten Unterschiede zwischen Berlin und Paris hervor. Lescure setzt andere Schwerpunkte als Wildberger: Ihm geht es um die Durchsetzung von Regelwerken wie dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA). Und um Anbieter, die man für wichtige Funktionen in Europa nicht zulassen könne, etwa im Finanzmarkt.
"Wir brauchen den Grundsatz der europäischen Bevorzugung im öffentlichen Beschaffungswesen und in der Regulierung", fordert Lescure. Der EU-Binnenmarkt und die 450 Millionen Europäer seien eine Superkraft, um beim Aufbau souveräner, europäischer Vorhaben zu helfen. Aber es gehe natürlich nicht um einen generellen Ausschluss von US-Anbietern.
Der deutsch-französische Motor soll die EU bei der digitalen Souveränität voranbringen, das ist das Versprechen, das sich die beiden Regierungen in Berlin und Paris gegenseitig gegeben haben. Weshalb sie einander für die gemeinsamen Vorhaben loben: Deregulierung zugunsten von KI in Europa. In deutschen Regierungskreisen ist man froh über die derzeit gut funktionierende Zusammenarbeit in der Digitalpolitik – und in Paris ebenfalls.
Der Termin für diesen deutsch-französischen Schulterschluss ist nicht zufällig gewählt. Am Mittwoch will die EU-Kommission ihr sogenanntes "Digitalpaket" vorstellen. Dafür haben Paris und Berlin deutliche Wünsche nach Brüssel übermittelt – in weiten Teilen miteinander abgesprochen, heißt es von Beteiligten.
Kommissionsvizepräsidentin Henna Virkkunen gibt am Dienstag in Berlin schon einmal Einblicke in das, was die Kommission nun plant: Dazu gehört eine von Berlin wie Paris gewünschte Teilverschiebung und Anpassung der KI-Verordnung genauso wie Änderungen am Datenschutz und an anderen Digitalregeln.
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Gipfel der Kooperationswilligen
Doch geht es auf dem Gipfel nicht nur um politische Rahmenbedingungen. Ein Fokus liegt auf der Wirtschaft. In Berlin werden zahlreiche Kooperationen und Investitionsentscheidungen bekanntgegeben, seien es die Milliarden, die die Schwarz-Gruppe in ein Rechenzentrum investiert, oder die deutsch-französische Kooperation bei der Entwicklung der EUDI-Wallet für einen digitalen Identitätsausweis.
"Das Signal, das wir heute gemeinsam mit Regierungen und Wirtschaft senden, kommt zu einem für unseren Kontinent entscheidenden Zeitpunkt", sagt etwa die Präsidentin des französischen IT-Wirtschaftsverbands Numeum, Véronique Torner, in einer gemeinsamen Erklärung mit dem deutschen Verband Bitkom.
"Frankreich und Deutschland müssen jetzt wieder zum Motor von technologischer Innovation in Europa werden", sagt Wolfgang Weber vom Zentralverband der Digital- und Elektronindustrie (ZVEI) in einer gemeinsamen Äußerung mit dem französischen Pendant FIEEC.
"Konsequenter Schulterschluss"
Doch einigen reicht es nicht, was Frankreich und Deutschland hier gemeinsam präsentieren. "Wir appellieren an die deutschen und französischen Gastgeber des Digital-Gipfels, Maßnahmen für digitale Souveränität kompromisslos und zur Not alleine umzusetzen", sagt etwa Jan Oetjen, der CEO des Berliner Hardware-Herstellers Fritz (ehemals AVM), und fordert einen konsequenten Schulterschluss zwischen Berlin und Paris.
Doch in der geforderten Härte ist das mit diesem Tandem nicht zu machen. Wer genauer hinhört, spürt die Unterschiede zwischen den Vertretern aus beiden Hauptstädten – und am Nachmittag werden Staatspräsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Friedrich Merz beim Gipfel erwartet. Immerhin bei einem waren sich ihre Minister absolut einig: Entscheidend für die Zukunft Europas sei, wer führt und wer folge. Weiter ausgeführt haben Lescure und Wildberger dies jedoch nicht, was das Binnenverhältnis zwischen Paris und Berlin betrifft.
(vbr)