Teilchenphysik: Produktion von Antimaterie am CERN um das Achtfache beschleunigt

Dauerte die Produktion größerer Mengen von Antiwasserstoff vor Jahren noch wochenlang, reicht inzwischen eine einzige Nacht. Das hilft der Grundlagenforschung.

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Komplizierte Maschine in einem groĂźen Raum

Die "Antimateriefabrik" des CERN

(Bild: CERN)

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Am Kernforschungszentrum CERN in Genf können jetzt über eine einzige Nacht 15.000 Antiwasserstoffatome für die Forschung erzeugt werden, das ist achtmal so schnell wie vorher. Möglich sei das durch ein neues Vorgehen am Experiment ALPHA der dortigen Antimateriefabrik, erklären die Verantwortlichen. "Diese Zahlen wären noch vor zehn Jahren Science-Fiction gewesen", ordnet der Sprecher des Experiments die Geschwindigkeit der Weiterentwicklung ein. Als etwa vor neun Jahren das optische Spektrum von Antiwasserstoff vermessen wurde, dauerte die Produktion der dafür nötigen 16.000 Teilchen mehr als zehn Wochen.

Wie die Forschungsgruppe erläutert, müssen sie zuerst Antiprotonen und Positronen herstellen, das sind die Antiteilchen von Protonen und Elektronen mit jeweils der entgegengesetzten elektrischen Ladung. Bevor die sich zu Antiwasserstoff verbinden, müssen sie aber ausreichend Energie verlieren, also abkühlen. Vor allem bei den Positronen sei das schwierig, weshalb man ein neues Vorgehen ausprobiert habe. Durch die Beigabe lasergekühlter Beryllium-Ionen habe man das deutlich beschleunigen können. Die Positronenwolke erreiche dadurch viel schneller eine Temperatur von -266 Grad Celsius. Wenn sie dann mit Antiprotonen vermischt werde, sei die Entstehung von Antiwasserstoff viel wahrscheinlicher. In weniger als sieben Stunden würden mehr als 15.000 davon entstehen.

Mit dem neuen Vorgehen wurden zwischen 2023 und 2024 schon mehr als zwei Millionen Antiwasserstoffatome produziert, schreibt das Team noch. Die "beispiellose" Zahl an verfügbaren Teilchen werde aktuell dafür genutzt, den Effekt der Gravitation auf Antimaterie zu untersuchen. Die neue Produktionsmethode ermögliche dank der immensen Zahl an Untersuchungsobjekten präzisere Messungen in viel höherer Geschwindigkeit. Deshalb handle es sich um einen echten Durchbruch. Die Gruppe stellt ihre Methode in einem wissenschaftlichen Artikel vor, der jetzt im Fachmagazin Nature Communications erschienen ist.

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Antimaterie besteht aus Anti-Teilchen, also Teilchen, die sich lediglich durch ihre entgegengesetzte Ladung von herkömmlichen Teilchen unterscheiden. Ob es wirklich keinen anderen Unterschied gibt und warum das uns bekannte Universum trotzdem nur aus herkömmlicher Materie besteht, gehört zu den großen Rätseln der Physik. Um das zu lösen, braucht es Forschung an Antimaterie nicht nur am CERN. Deshalb wird dort auch daran gearbeitet, die Antimaterie zu Forschungseinrichtungen überall in Europa zu transportieren. Erste Tests waren bereits erfolgreich. Erklärtes Ziel der Arbeit ist die Möglichkeit, Antimaterie über öffentliche Straßen beispielsweise zu einem Labor in Düsseldorf zu bringen.

(mho)