Warum KI eine Blase ist – und was das mit digitaler Souveränität zu tun hat

Der KI-Hype beruht auf einer Infrastruktur, die nur wenige Konzerne kontrollieren. Frederike Kaltheuner erklärt im Podcast die Gefahren.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Svea Eckert
  • Eva Wolfangel

Nvidia verkündet erneut massive Gewinne, OpenAI einen Durchbruch nach dem anderen - und Europa ist abgehängt. So könnte man meinen. Doch bei jenen Sätzen wie "wir haben das verschlafen" und "Regulierung bremst die deutsche Wirtschaft aus" handelt es sich um ein Narrativ der Tech-Konzerne, warnt Frederike Kaltheuner. Wieso das so ist und welche Fehler wirklich zur massiven Abhängigkeit von US-Tech-Konzernen geführt haben, darüber spricht die Digitalexpertin im aktuellen c't-Podcast "They Talk Tech" mit Svea Eckert und Eva Wolfangel.

Zunächst müsse man sich im Klaren sein, dass sich die ganze Debatte darüber, dass Deutschland abgehängt sei, um einen extrem engen KI-Begriff dreht: Gemeint sind fast ausschließlich generative Modelle auf Basis der Transformer-Architektur. Genau in diesem schmalen Segment finde tatsächlich ein Wettrennen statt, das strukturell kaum gewinnbar sei. Es sei „extrem schwierig, wenn nicht fast unmöglich“, in diesem Paradigma mitzuhalten, weil der Ansatz auf immer größeren Modellen, immer mehr Daten und immer höheren Rechenressourcen beruhe.

Das liegt unter anderem daran, dass der Cloud- und Chip-Markt dahinter extrem konzentriert ist. Denn Teil der Wahrheit ist auch: Mit generativer KI lässt sich aktuell kein Geld verdienen. OpenAI macht Milliarden Miese. Gleichzeitig hat Nvidia gerade wieder einen neuen Rekord verkündet, indem es zum 13 Mal in Folge die Markterwartungen übertraf und seinen Gewinn um 65 Prozent auf 31,9 Milliarden Dollar erhöhte.

Nvidia dominiert den Markt für die spezialisierten Beschleunigerchips, die für das Training und den Betrieb großer KI-Modelle benötigt werden. Dieses Training ist teuer, und genau davon profitierten wiederum die Hyperscaler, sagt Kaltheuner: Für den praktischen Betrieb sei man auf Amazon, Google oder Microsoft angewiesen, deren Rechenzentren die benötigte Kapazität bereitstellen.

Dabei investieren sowohl Chip- als auch Cloud-Anbieter längst selbst in Modellfirmen - wie Nvidia in OpenAI - oder entwickeln eigene Modelle wie Google oder Microsoft. Hier zeigen sich erste Kreislaufgeschäfte. Aleph Alpha-Gründer Jonas Andrulis habe selbst beschrieben, dass man in diesem Markt von Firmen abhängig sei, die gleichzeitig Konkurrenten sind. Für Start-ups ist das ein strukturelles Risiko, das sich kaum beseitigen lässt.
Auch aus der Finanzwelt gibt es seit Monaten Warnsignale. Goldman Sachs habe bereits 2024 vor einer Blase gewarnt. "Es gibt zunehmend selbstreferenzielle Deals zwischen Nvidia und Cloud-Anbietern, die Finanzierung bekommen, weil sie Nvidia-Chips kaufen." An diesen Mechanismus erinnert auch das Vorhaben der Telekom, zusammen mit Nvidia ein KI-Rechenzentrum in München zu bauen, den Eckert und Wolfangel in der Vorgängerfolge von They Talk Tech analysieren. 

Nvidia wiederum feuere die Debatte um digitale Souveränität an: Denn je mehr Rechenzentren gebaut werden, umso mehr Chips kann der Konzern verkaufen. Nach Ansicht Kaltheuners wird der Begriff derzeit systematisch genutzt, um Investitionen in KI-Infrastruktur zu rechtfertigen, selbst dann, wenn die ökonomische Logik zweifelhaft ist.

Gleichzeitig ist diese Infrastruktur hochspezialisiert - und damit steigt das Risiko: Wenn die KI-Blase platze, seien diese Rechenzentren kaum anderweitig nutzbar. Auch die speziellen KI-Chips verlieren rasant an Wert, weil sich die Generationen in kurzer Zeit überholen. Die großen US-Tech-Firmen haben allein 2025 hunderte Milliarden in KI-Infrastruktur investiert. "Falls die Blase platzt, ist die Hälfte dieser Infrastruktur nutzlos", erklärt Kaltheuner.

Die Analystin betont, dass es dabei nicht um KI oder maschinelles Lernen generell geht, sondern lediglich um generative KI auf der Basis von Transformer-Modellen. Die Chatbots und Bildgeneratoren haben aber - das zeigt sich immer deutlicher - nur ein extrem kleines Anwendungsfeld. Zuletzt zeigte eine Studie des MIT, dass die meisten Unternehmen kaum sinnvolle Anwendungsfälle gefunden haben, sondern unter "AI Slop" leiden. Die großen Versprechen, damit Krebs heilen oder die Probleme der Menschheit lösen zu können, sind nicht eingetreten - aus genau diesem Grund.

Gleichzeitig blockiert der Hype um die Technologie aber auch Investitionen in anderen Bereichen, warnt Kaltheuner. Die Entscheidung der EU, 20 Milliarden Euro in so genannte KI-Gigafactories zu investieren, ziehe Geld ab aus anderen Bereichen. "Damit hätte man viele andere Probleme lösen können."

Und auch die Vorstellung, Regulierung sei schuld daran, dass Europa im KI-Bereich hinterherhinke, sei falsch. Im Gegenteil: Hätte die EU das Datenmodell der großen Plattformen früher und konsequenter reguliert, sähe der Markt heute anders aus. "Die selben Firmen, die die Plattformökonomie dominieren, dominieren jetzt KI – und das ist kein Zufall." Ihre Datenmacht, die sie in der Plattformökonomie aufgebaut haben, verschaffe ihnen nun auch in der KI den entscheidenden Vorsprung. Regulierung bremse nicht, sondern wäre die Voraussetzung für funktionierenden Wettbewerb gewesen. Stattdessen habe sich Europa einreden lassen, Regulierung sei das Problem und damit den Plattformfirmen ermöglicht, ihre Dominanz ungebremst auszubauen.

"They Talk Tech" erscheint jeden Mittwoch überall, wo es Podcasts gibt. Svea Eckert und Eva Wolfangel diskutieren ein Tech-Thema oder treffen inspirierende Frauen aus und rund um die Tech-Welt.

(mond)