Steam Frame: Ein Fingerzeig auf Steams Zukunft
Steam Frame ist eine ambitionierte VR-Brille, die sich gängigen Kategorien entzieht und deren eigentliche Bedeutung über Virtual Reality hinausreicht.
Valves neue VR-Brille.
(Bild: Valve)
Steam Frame ist das vielseitigste VR-Produkt seit Jahren. Das zeigt sich daran, wie unterschiedlich sich das Gerät beschreiben lässt. Es ist primär eine PC-VR-Brille, aber zugleich ein autarkes Headset mit ARM-Chip, das viele Spiele auch ohne externen Rechner rendern kann. Das Gerät ist für VR-Spiele ausgelegt, dient aber ebenso als klassische Spielkonsole, die Bildschirmspiele aus dem Steam-Katalog auf einem großen, virtuellen Display darstellt. Und obwohl Steam Frame auch ein vollwertiger Linux-Rechner ist, der viele Windows-Spiele unterstützt, kann es ebenso Android-Titel ausführen.
Der Name des Produkts deutet zudem auf noch größere Ambitionen: Steam Frame soll zu einem räumlichen Computer werden, der Anwendungen als frei schwebende Fenster („Frames“) darstellt und mit dem Nutzer gleichzeitig im Browser surfen, Medien konsumieren und Steam-Spiele spielen können.
Nachdem sich der Staub der Ankündigung gelegt hat, ist es Zeit für eine nüchterne Einschätzung. Wie positioniert sich Steam Frame am Markt? Kann es der VR-Branche neues Leben einhauchen? Und was ist Valves langfristige Strategie?
Was Steam Frame einzigartig macht
Steam Frame hat eine Reihe von Qualitäten, die die VR-Brille auszeichnet und auf die Valve besonderes Augenmerk gelegt hat.
Steam Frame ist zum einen die erste VR-Brille, die für ein müheloses PC-VR-Streaming optimiert ist. Musste man zuvor oft einen dedizierten Router kaufen und konfigurieren, um ein optimales Ergebnis zu erzielen, reicht es jetzt, den mitgelieferten Wireless-Adapter in einen USB-Port des PCs zu stecken. Den Rest übernimmt die Software. Ein Feature namens „Foveated Streaming“ optimiert dabei die Streaming-Qualität entlang des Blicks. In Kombination mit der neuen Steam Machine dürfte es künftig sogar möglich sein, die VR-Brille ohne Bootvorgang und physischen Monitor zu nutzen.
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Zum anderen ist Steam Frame als eines der bislang offensten VR-Systeme konzipiert. Mit SteamOS kommt das gleiche Linux-basierte Betriebssystem zum Einsatz wie beim Steam Deck, was Steam Frame offener für Modding macht als jede andere VR-Brille. Da sie anders als Steam Deck einen ARM-Chip nutzt, kann Steam Frame neben Spielen aus der Linux- und Windows-Welt auch Android-Titel ausführen, was sie noch vielseitiger als Valves Handheld macht. Die Offenheit setzt sich auf der Hardware-Seite fort: Kopfhalterung, Gesichtspolster, Lautsprecher und Akku lassen sich vom Kernmodul trennen, was Moddern und Drittherstellern ermöglicht, eigene Lösungen für den Tragekomfort, Audio und Energieversorgung zu entwickeln. Und dank eines Erweiterungssteckplatzes ist es möglich, die VR-Brille mit zusätzlichen Kameras, Sensoren und anderem Zubehör aufzurüsten.
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Drittens ist Steam Frame durch und durch als Gaming-Headset konzipiert. Während sich Meta Quest zuletzt immer stärker von der Spielekonsole entfernt und in Richtung Metaverse orientiert, setzt Valve den Schwerpunkt klar auf Gaming. Als von Grund auf hybride VR-Brille unterscheidet Steam Frame nicht zwischen VR- und Bildschirmspielen. Das zeigt sich auch an den neuen VR-Controllern, die Eingabeschemata beider Gaming-Welten vereinen und so einen nahtlosen Wechsel ermöglichen. Bedauerlich ist nur, dass Valve keine VR-Spiele für Steam Frame in Entwicklung hat. Das wäre ein zusätzliches Kaufargument für die Anfang 2026 erscheinende VR-Brille gewesen.
Valve sucht nach der Nische in der Nische
Anhand dieser Eigenschaften lassen sich Valves Zielgruppen erkennen: VR-Spieler, die den Sprung zu PC-VR bislang gescheut haben, weil die Einrichtung und Nutzung zu umständlich ist, Linux-Begeisterte und Modder innerhalb und außerhalb der VR-Gemeinschaft, sowie Steam-Fans, die sich ein Steam Deck mit großformatigem Display wünschen. Hinzu kommen Besitzer der Valve Index, die seit Jahren auf eine neue VR-Brille von Valve warten und Meta-Produkte grundsätzlich meiden.
(Bild:Â Valve)
Die Gruppe der Hardware-Enthusiasten steht weniger im Fokus als bei der letzten Generation. Während Valves erste Brille klar auf das High-End-Segment ausgerichtet war, wählt das Unternehmen bei Steam Frame einen pragmatischeren Ansatz. Um den Preis unter die 1.000-Dollar-Marke der Valve Index zu drücken, setzt Valve auf herkömmliche LC-Displays auf dem Niveau der zwei Jahre alten Meta Quest 3 statt auf teure OLED-Mikrodisplays, wie sie in Apple Vision Pro und Samsung Galaxy XR zum Einsatz kommen. Eine Entscheidung, die bei vielen Hardware-Enthusiasten für Enttäuschung sorgte.
(Bild:Â Valve)
Der endgültige Preis der VR-Brille ist noch nicht bekannt, dürfte aber deutlich über dem der Meta Quest 3 und 3S liegen und im unteren und mittleren Preisbereich (300 bis 500 US-Dollar) daher nicht mit Meta konkurrieren. Auch den räumlichen Computern von Samsung und Apple, die aufgrund hoher Preise (1800 bzw. 3500 US-Dollar) in noch kleineren Nischen operieren, wird Valve kaum Marktanteile abjagen, zumal das Unternehmen auf wichtige Features wie Farb-Passthrough, Mixed Reality und Handtracking verzichtet. Hier muss sich erst noch zeigen, wie stark Valve in die Multitasking-Fähigkeiten der Steam Frame investiert hat und weiter investieren wird. Und ob der Snapdragon 8 Gen 3 ausreichend Leistung für einen räumlichen Computer bietet.
(Bild:Â Valve)
Angesichts der spitzen Zielgruppe und des zu erwartenden Preises ist Steam Frame als Nischenprodukt einzuordnen. Wenn sich bereits günstigere Headsets wie die Quest 3 und Quest 3S unter den Erwartungen verkaufen, kann Valve kaum mit höheren Verkaufszahlen rechnen. Einem Bericht zufolge plant das Unternehmen im ersten Jahr mit etwa einer halben Million verkaufter Geräte – eine realistische Erwartung.
Steam Frame: Weichensteller statt Gamechanger
Ein Wendepunkt für die VR-Branche ist von dieser Generation der Steam Frame also nicht zu erwarten. Von größerer Bedeutung als die Hardware, über die online am meisten diskutiert wird, ist die langfristige Wette, die Valve mit Steam Frame eingeht. Das Ziel ist das gleiche wie beim Steam Deck und der Steam Machine: Valve will einerseits neue Nutzerschichten und Zugangsmöglichkeiten für Steam erschließen, andererseits die Plattform für die Zukunft rüsten.
Im Mittelpunkt dieser Bemühungen steht SteamOS. Die große Innovation der Steam Frame im Kontext des Steam-Ökosystems ist, dass Valve auf einen ARM-Chip setzt und das Linux-basierte SteamOS mithilfe der Übersetzungsschicht FEX für die Chiparchitektur ertüchtigt. Dieser Schritt könnte sich als wegweisend erweisen.
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Zum einen kann sich SteamOS damit in Zukunft als Alternative zu den räumlichen Betriebssystemen der Konkurrenz positionieren, die allesamt für ARM-Chips optimiert sind: Metas Horizon OS, Apples visionOS und Googles Android XR. Zum anderen stellt Valve die Weichen für eine Computer-Ära, in der ARM-Chips möglicherweise eine noch größere Dominanz erlangen. Wenn Valves Plan aufgeht, SteamOS und ARM-Chips enger zu verzahnen, könnte das den Weg für ein Steam Deck oder eine Steam Machine mit ARM-Chip ebnen. Und Steam Frame liefert die Blaupause dafür.
Die potenzielle Reichweite von SteamOS geht dabei weit über Valve-Produkte hinaus. Öffnet Valve das Betriebssystem stärker für Dritthersteller, könnten neue ARM-Geräte und -Geräteklassen auf Basis von SteamOS entstehen. Von Handhelds über Laptops bis zu VR-Brillen: Ein umfassendes Hardware-Ökosystem bestehend aus Steam-Computern.
(tobe)