Produktionsverlagerung nach China: Deutsche Firma Cherry kämpft ums Überleben

Der deutsche Hersteller Cherry steckt in der Krise. Die Peripheriesparte könnte an ein anderes Unternehmen gehen.

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Bunt beleuchtete Tastatur auf einem Tisch

2022 übernahm Cherry noch den Peripheriehersteller Xtrfy. Jetzt könnte Cherry sein Peripheriegeschäft veräußern.

(Bild: Mark Mantel/ heise medien)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Das Minus bei Cherry summiert sich auf. Vom Januar 2025 bis Ende September hat die Firma fast 20,4 Millionen Euro Nettominus gemacht, bei einem Umsatz von 70,7 Millionen Euro. Cherry hat inzwischen mehr Schulden als Eigenkapital (Eigenkapitalunterdeckung), was kürzlich zu einer außerordentlichen Hauptversammlung führte.

Chief Operating Officer (COO) Udo Streller verkündete dort, dass die Tasterproduktion in Auerbach mittlerweile komplett eingestellt ist. Stattdessen hat Cherry die Produktion an „etablierte Partner in China und der Slowakei“ ausgelagert.

Das Patent zur Cherry-MX-Bauform ist 2014 final ausgelaufen. Seitdem stellen immer mehr chinesische Firmen Taster (Switches) her, die Cherry auch qualitativ ebenbürtig sind. Zu den Alternativen zählen etwa JWK, Gateron, SP Star, Kailh, KTT, Outemu und Tecsee. Aus China kamen unter anderem zuerst Taster, die ab Werk mit Fett oder Öl geschmiert sind. Auch bei den Materialien zeigen sie sich experimentierfreudig. Bei sogenannten Hall-Effekt-Switches mit Magnetfeldern hinkt Cherry der Konkurrenz aus Fernost hinterher.

Mittlerweile gibt es unzählige Tastervarianten. Auch Anbieter wie Razer und Logitech lassen ihre selbst vermarkteten Typen von chinesischen Herstellern produzieren, etwa Kailh.

Auerbach fungiert fortan als „kosteneffizienter Entwicklungs-, Logistik- und Dienstleistungs-Hub“ für Cherry. Verträge mit einem externen Logistikpartner laufen zum Jahresende aus.

Es gibt mittlerweile unzählige Tastatur-Switches verschiedener Hersteller, meist in bunten Gehäusen.

(Bild: Mark Mantel/ heise medien)

Umstrukturierungen, Kredite und Finanzspritzen durch Investoren reichen nicht, um Cherry über Wasser zu halten. Der Hersteller will daher wahlweise die Peripheriesparte oder den Teil Digital Health & Solutions verkaufen, um mit den Einnahmen die jeweils übrigbleibende Sparte aufzupäppeln.

Zum Peripheriegeschäft gehören alle Tastaturen und Mäuse, einschließlich Gaming- und Office-Modellen. Switches sind davon getrennt und laufen unter der Sparte Komponenten. Zu Digital Health & Solutions gehören unter anderem Kartenlesegeräte, PIN-Pads und telematikkonforme Anwendungen wie der TI Messenger.

Finanzchef Jurjen Jongma sagte auf der Hauptversammlung: „Aufgrund der geringen Marktkapitalisierung der Gruppe sowie dem aktuellen Kurs von unter einem Euro der Cherry-Aktie ist es derzeit weder möglich noch ratsam, das Eigenkapital der Gruppe anders zu stärken als durch die strategischen Mergers-&-Acquisitions-Optionen.“

Die Hygiene-Peripheriegerätesparte „Active Key“ hat Cherry bereits für 12,5 Millionen plus Option auf zusätzliche 8,5 Millionen Euro bei Erreichen von Finanzzielen verkauft. Active Key umfasste etwa abwaschbare Tastaturen.

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Cherry profitierte laut eigenen Aussagen von der hohen Nachfrage während der Coronapandemie, die seitdem abgeebbt ist. Im Jahr 2021 setzte Cherry noch 168,5 Millionen Euro um. 2022 brach der Jahresumsatz mit Gaming-Produkten um die Hälfte auf 41,2 Millionen Euro ein. 2023 erholte sie sich wieder, allerdings rutschte die Sparte Digital Health & Solutions um gut 30 Prozent auf 23 Millionen Euro ab. Der Komponentenumsatz halbierte sich da auf 10,9 Millionen Euro.

Im Jahr 2025 (bis Ende September) machte Gaming- und Office-Peripherie bisher 50,3 Millionen Euro Umsatz, Digital Health & Solutions 16,5 Millionen und Komponenten 3,9 Millionen. Im Gesundheitswesen macht Cherry eine Verschiebung zu schaffen: Rund 90.000 Heil- und Hilfsmittelerbringer wie Physiotherapeuten müssen erst zum 1. Oktober 2027 statt zum 1. Januar 2026 an die Telematikinfrastruktur angeschlossen werden.

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