Gute iPhone-Verkäufe: Apple hat die riskante KI-Wette gewonnen – vorerst
Die von Analysten prophezeite Bauchlandung bei den iPhone-Verkäufen ist trotz Apples KI-Schwäche ausgeblieben. Wie konnte das passieren? Eine Analyse.
(Bild: Sebastian Trepesch / heise medien)
Think different. Apples historischer Werbespruch war dem Unternehmen einmal mehr in seiner Firmengeschichte ein guter Berater. Während die Analysten an der Wall Street und große Teile der Fachwelt inmitten des KI-Hypes annahmen, dass Apples offenkundiger Rückstand bei der Künstlichen Intelligenz dem Unternehmen bei seinen iPhone-Verkäufen schaden könnte, dachte Apple anders: Man gab sich bei der iPhone-17-Generation konservativ, besann sich primär auf alte Stärken bei der Hardware – Akku, Kamera, Design und Speicher – um den Rückstand im KI-Wettlauf wettzumachen. Aus der Not wurde gewissermaßen eine Tugend gemacht. Mit Erfolg, wie sich jetzt im November 2025 zeigt.
In den letzten Tagen und Wochen machte Apple von sich reden: Die Firma stößt laut Marktforschern sogar Samsung bei den Geräteverkäufen vom Smartphone-Thron. Besonders erfolgreich sollen das iPhone 17 und das iPhone 17 Pro Max in China sein. Die zuvor zurückgehenden Verkaufszahlen in Fernost bereiteten den Kaliforniern lange Sorge. Neben dem angespannten Verhältnis zwischen den USA und China machten Analysten vor allem Apples nicht vorhandenes KI-Angebot dafür verantwortlich, dass die Chinesen weniger iPhones kauften und anderen Fabrikaten den Vorzug gaben. Die Mitbewerber sahen in Apples vermeintlicher Schwäche ihre große Chance und feuerten aus allen KI-Rohren. Der einstige Wachstumsmarkt drohte, zum Strudel zu werden.
iPhone-Verkäufe in China funktionieren auch ohne KI gut
Tatsächlich wartet China sogar bis heute noch darauf, überhaupt etwas von der Apple Intelligence zu erblicken. Apples KI konnte dort bislang nicht an den Start gehen, weil die chinesische Regierung einen lokalen Partner vorschreibt. Und diese Suche sowie das Erfüllen der Vorgaben des Staates ziehen sich weiter hin. Wer also derzeit in China ein iPhone 17 kauft, macht das in dem Bewusstsein, im Moment keine KI im Betriebssystem zu erhalten – allenfalls das Versprechen, dass sie irgendwann kommen wird, könnte zum Kauf bewegen. Doch auch diese These steht auf tönernen Füßen, da die Apple Intelligence in der Fachwelt bislang mehrheitlich belächelt wird.
Viel näherliegend ist also die Vermutung, dass KI auf Betriebssystemebene vielen Nutzern von Smartphones bislang einfach vollkommen oder zumindest weitgehend egal ist. Auf jeden Fall deutlich weniger als eine sofort ins Auge stechende Designänderung wie bei den Pro-Modellen der 17er-Reihe. Zwar wies Apple-Chef Tim Cook zuletzt während der Vorstellung der Quartalszahlen darauf hin, dass die Apple Intelligence sehr wohl einige zum Kauf bewege – und er würde sich wünschen, dass es noch mehr werden. Das zeigt, Apple hat durchaus im Blick, dass manche Käufer die KI bei Neukäufen hoch gewichten. Google profitiert hiervon beim Pixel 10. Aber es sind offenbar noch kleine Käuferschichten und nicht jene breite Masse, die für Apple die relevantere Größe ist.
Zeit für Apples eigenen KI-Ansatz
Und es wäre auch vermessen und gefährlich zu glauben, dass KI auf dem Smartphone Käufer grundsätzlich nicht interessiert. Es ist offenbar nur so, dass sie sie nicht unbedingt schon hier und heute dringend herbeisehnen. Das mag auch daran liegen, dass ihre derzeitigen KI-Bedürfnisse, sofern sie welche haben, durch Apps von Anbietern wie OpenAI (ChatGPT), Google (Gemini) oder Anthropic (Claude) bestens abgedeckt sind.
Apple verschafft das wertvolle Zeit, um das KI-Thema nach eigenem Gusto zu entwickeln. Schwerpunkte wie Datenschutz, das lokale Verarbeiten auf dem Gerät und eine auf einzelne Funktionen fokussierte KI sahen erst wie ein Klotz am Bein aus, im Vergleich zu den allmächtig wirkenden, raumgreifenden KI-Chatbots der anderen. Die bisherige Apple Intelligence wird auch deshalb belächelt, weil Apple es sich selbst so unglaublich schwer macht, wo die anderen, etwa beim Thema Datennutzung, den leichteren Weg gehen.
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Eine Chance, aber auch viele Zweifel
Dieser andere Weg für „den Rest von uns“ erschien bei der Vorstellung von Apples KI-Offensive im Sommer 2024, als der Puls in dieser Branche bei 180 lag, zunächst eine überaus riskante KI-Wette zu sein. Doch allmählich zeigt sich, dass ChatGPT & Co. ein wenig die Puste ausgeht, dass nicht mehr jede neue Versionsnummer ein Beben auslöst. Das Interesse an KI ist, wenn man die weiterhin guten Zahlen von Hardwareausrüstern wie Nvidia oder den Ausbau der KI-Rechenzentren sieht, beileibe nicht erloschen. Doch der Markt dürstet offenbar nach neuen Ideen, nach Konsolidierung, nach etwas anders Gedachtem.
Das könnte eine Chance sein, die für Apple wie gemacht ist. Ob man sie in dem großen Ring-Gebäude in Cupertino tatsächlich nutzt, ist eine andere Frage. Die zahlreichen Weggänge von KI-Fachpersonal zeigen auf, dass auch intern massive Zweifel daran bestehen. Für 2026 gilt es erst einmal, den angestaubten Sprachassistenten Siri zu neuem Leben zu erwecken. Weiteren Verzug oder ein enttäuschendes Ergebnis kann sich Apple hierbei nicht leisten. Und KI ist nicht die einzige Baustelle, auf der Softwarechef Craig Federighi vorankommen muss.
Ausdruck des Andersdenkens
Immerhin hat Apple ein paar Trümpfe in der Hand: Mit dem Öffnen der lokalen KI für Entwickler hat der iPhone-Hersteller ein Fundament gegossen, auf dem sich etwas aufbauen lässt. Vieles rund um Apples Private Cloud Compute ist noch nebulös, wirkt aber potenzialreich.
Und dann ist da die überaus leistungsstarke Hardware, die aktuell mit dem M5-Chip bei KI-Berechnungen noch einmal einen deutlichen Sprung nach vorn gemacht hat. Das klingt zunächst nicht nach Think Different – für eine Hardware-Firma ist gute Hardware schließlich das Naheliegendste. Doch in Zeiten, in denen alle anderen dem nächsten großen Ding hinterherjagen, ist es vielleicht einfach Ausdruck des Andersdenkens, wenn man sich auf das Bewährte konzentriert.
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(mki)