Französisches Parlament verabschiedet umstrittene Urheberrechtsreform

Mit der Mehrheit der Regierungspartei UMP hat die französische Nationalversammlung ein von Widersprüchen gekennzeichnetes Gesetz abgesegnet, das etwa DRM absichern und zugleich Interoperabilität gewährleisten will.

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Ohne weitere Änderungen hat die französische Nationalversammlung am Dienstagnachmittag den heftig umstrittenen und mehrfach überarbeiteten Gesetzesentwurf zur Urheberrechtsreform verabschiedet. Die konservative Regierungspartei UMP stellte sich bei der Abstimmung geschlossen hinter Kultusminister Renaud Donnedieu de Vabres, während die Opposition größtenteils gegen die Novelle votierte. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament wurde der Entwurf trotzdem mit 296 zu 193 Stimmen angenommen. "Wir können stolz sein auf das Erreichte", gratulierte de Vabres seiner Fraktion nach der Verabschiedung des Gesetzes, das er insgesamt mit Eilbedürftigkeit durch die Nationalversammlung geschleust hatte. Der Sozialist Patrick Bloche sprach dagegen von einer "echten gesetzgeberischen Verschwendung". Frankreich werde mit dem Gesetz, das noch vom Senat bestätigt werden muss, seine Vorrangstellung in den Bereichen Forschung und Innovation verlieren.

Die Endfassung der Novelle, deren Vereinbarkeit mit der Verfassung Oppositionspolitiker anzweifeln, ist von zahlreichen Widersprüchen gekennzeichnet. So sollen mit dem Gesetz erstmals auch in Frankreich Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) rechtlich abgesichert und ihre Umgehung strafbar werden. Die Möglichkeiten zur Erstellung von Privatkopien oder andere Einschränkungen des Verwertungsrechts etwa zugunsten von Behinderten müssen bei digitalen Medien künftig hinter den technischen Schutzmaßnahmen zunächst zurückstehen. In welchen Fällen Nutzer trotzdem ihre so genannten Schrankenrechte wie häufig ausüben können, soll ein Mediationskollegium entscheiden. Ausgenommen sind Privatkopien von TV-Sendungen, die weiter von vornherein gestattet werden.

Die Stellung von DRM wird gleichzeitig untergraben durch eine relativ weite Interoperabilitätsklausel. Demnach müssen die technischen Ausrüster von Kopierschutzmechanismen im Bedarfsfall alle technischen Informationen herausgeben, die für das nahtlose Zusammenspiel verschiedener Systeme und Abspielgeräte erforderlich sind. Damit soll ausdrücklich die Dekompilation von DRM-Software ermöglicht werden. Betroffen wären beim Inkrafttreten des Gesetzes insbesondere Konzerne wie Apple, Microsoft oder Sony, die für den Vertrieb digitaler Inhalte etwa über Musikplattformen stark auf DRM setzen. Daher gibt es seit Längerem Spekulationen über den Stopp von iTunes in Frankreich, wozu sich Apple aber bislang nicht offiziell geäußert hat. Der französische Kultusminister erklärte zu der Passage: "Ein Verbraucher, der ein Werk legal erworben hat, muss es auf jedem beliebigen Gerät abspielen können". Diese Neuerung und das damit verbundene Nein zu proprietären Formaten werde in anderen Ländern Schule machen.

Auch über die Folgen eines mit verabschiedeten Änderungsantrags, für den sich vor allem Firmen wie der Mediengigant Vivendi Universal stark machten, rätseln Beobachter noch. Ihm zufolge soll mit bis zu drei Jahren Haft und Geldstrafe von bis zu 300.000 Euro belegt werden, wer "wissentlich" und öffentlich Software verbreitet, die "offensichtlich darauf ausgerichtet ist", den unautorisierten Zugang zu geschützten Werken oder anderen Objekten zu gestatten. Selbst der Hinweis auf derlei Programme steht unter derselben Strafandrohung. Kritiker der Klausel fürchten, dass damit selbst Server-Software und -Protokolle wie P2P, HTTP, FTP oder SSH in eine rechtliche Grauzone geraten. Sie sehen zudem Open-Source-Applikationen zum Abspielen von Multimedia-Dateien wie VLC vom VideoLAN-Projekt gefährdet, da diese den Zugriff auf DVDs mit CSS-Verschlüsselung erlauben.

Konkret gegen Filesharer richtet sich ein ebenfalls beschlossener abgestufter Strafkatalog. Es sieht für Privatleute, die Musik nur zum Eigenbedarf herunterladen, ein anfängliches Bußgeld von 38 Euro vor. Die Strafen erhöhen sich beim stärkeren Konsum an sich kopiergeschützter Werke aus Tauschbörsen immer weiter. Wer Nutzer in großem Stil zum illegalen Treiben in P2P-Netzen anleitet oder Raubkopien gewerblich unters Volk bringt, muss mit einer Strafe in Höhe von bis zu 300.000 Euro und zwei Jahren Gefängnis rechnen. Vertreter der Sozialisten kündigten nach der Abstimmung an, bei einem Regierungswechsel die Urheberrechtsreform rasch wieder auf den Prüfstand stellen zu wollen.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)